Israel aus zwölf Perspektiven

Israel aus zwölf Perspektiven

Die Foto-Ausstellung „This Place“ dokumentiert einen einmaligen Versuch

30. 10. 2014 - Text: Peter HuchText: Peter Huch; Foto: DOX/Koudelka/Magnum Photos

 

Israel und das Westjordanland sind komplexe Orte, vollgesogen mit Geschichte und Geschichten. In diesem Schmelztiegel der Religionen und Völker knallt es immer wieder, Nachrichten aus Israel sind häufig von tödlichen Konflikten bestimmt. Ein friedliches Zusammenleben und ein teils banaler Alltag sind trotzdem an vielen Orten möglich. Frédéric Brenner hatte 2006 die Idee, Fotografen aus aller Welt einzuladen, um unabhängig voneinander zwei Wochen im Heiligen Land zu verbringen. Bedingung für dieses künstlerische Projekt war, dass die Teilnehmer noch keine Beziehung zu diesem Ort haben sollten. Ihre Zeit verbrachten sie mit Kreativen, Aktivisten und Arbeitern.

Acht Jahre später sind die Aufnahmen der Fotografen erstmals zu besichtigen. Im DOX in Prag beginnt die Welttournee, die später in Israel und den USA fortgesetzt wird. Die Idee, verschiedene Fotografen zu engagieren, um ein Kaleidoskop ungleicher Eindrücke zu bekommen, ist so einmalig wie gelungen. So heterogen die zwölf beteiligten Fotografen sind, so unterschiedlich sind auch ihre Herangehensweisen und Fotografien. Es wird ein breites Spektrum dessen abgebildet, was in dieser Kunst möglich ist.

Die ausgestellten Werke zeigen Familien, Landschaften und einfache Würstchenbrater. Dem Zuschauer werden sowohl artifizielle, abstrakte Bilder präsentiert, als auch vordergründig Triviales. Beeindruckend sind die Kameraaufnahmen des Initiators selbst. Es sind meist Porträts, die so mannigfaltig sind wie die Lebensläufe der abgelichteten Menschen. Bilder von Familien, die ihren Lebensmittelpunkt als Schafe hütende Nomaden in der Wüste haben, hängen neben Aufnahmen von orthodoxen Familien, die in prunkvollen Eigenheimen leben. Hervor sticht das Porträt eines Mannes, dessen Unterarme durch Prothesen ersetzt wurden, auf denen er sein Gesicht abstützt. Erst auf den zweiten Blick sieht man, dass er auch keine Augen mehr hat.

Da die Drucke für sich stehen und keine weiteren Erklärungen aufweisen, ist es dem Betrachter überlassen, die Geschichten hinter den Fotos zu erahnen. Es sind teilweise erschütternde Fragen: Was für ein Leben steckt etwa hinter einer Fotografie von Rosalin Salomon, auf der ein älterer Mann von Tauben umzingelt auf einer Parkbank sitzt, voll vom Kot der Vögel?

Ein anderes Familienfoto Brenners erzählt dem Betrachter etwas über die Geschlechterverhältnisse. Eine Familie spaziert durch eine alles verschlingende, sich ausbreitende Sandwüste. Aus einer Ecke lugt der Rest einer Leitplanke hervor, eine Straße gibt es jedoch nicht mehr. In dieser Familie, mit einigen jungen Erwachsenen, trägt nur die Tochter eine Soldatenuniform, ihre Brüder sind in zivil gekleidet.

Obwohl die Ausstellung nicht politisch sein will, sind in vielen Bildern die Auswirkungen der Politik und der Konflikte spürbar. Seien es Männer, die mit nacktem Oberkörper und vermummtem Gesicht an einem Stahltor herumlungern, oder zerschossene Häuser, die mit Tarnnetzen verhangen sind. Aufgelockert wird der Ernst mit Werken von Wendy Ewald. Sie bereiste 13 Städte und Ortschaften und präsentiert eine Vielzahl kleiner Aufnahmen, die das ganze Leben abdecken. Nebeneinander aufgereiht sind zum Beispiel Beduinen, eine Social-Media-Agentur und Männer am Grill.

This Place. DOX Centre for Contemporary Art (Poupětova 1, Prag 7), geöffnet:  Sa.–Mo. 10–18 Uhr, Mi. & Fr. 11–19 Uhr, Do. 11–21 Uhr, dienstags geschlossen, Eintritt: 180 CZK (ermäßigt 90 CZK), bis 2. März 2015, www.dox.cz

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