„Die Ergebnisse sind beunruhigend“
Jana Chržová sieht die Parteien in der Verantwortung und fordert Frauen zu gegenseitiger Solidarität auf
5. 11. 2014 - Text: Corinna Anton
Die „Tschechische Frauenlobby“ (Česká ženská lobby) ist ein Zusammenschluss von gemeinnützigen Organisationen, die sich für die Rechte der Frauen hierzulande einsetzen. Die PZ sprach mit der Vorsitzenden Jana Chržová über das schlechte Abschneiden Tschechiens in der weltweiten Studie zur Gleichberechtigung.
Dem Index des Weltwirtschaftsforums zufolge sind Frauen in Tschechien weniger gleichberechtigt als zum Beispiel in Aserbaidschan oder Uganda. Müssen wir uns Sorgen machen?
Jana Chržová: Die Ergebnisse sind auf jeden Fall beunruhigend. Tschechien schneidet schon lange schlecht ab, vor allem wenn es um Frauen in Führungspositionen und um Gehaltsunterschiede bei gleicher oder ähnlicher Arbeit geht. Es gibt natürlich auch andere Probleme, aber für das schlechte Ergebnis beim Index des Weltwirtschaftsforums sind ohne Zweifel die Werte in den Bereichen Politik und Wirtschaft verantwortlich. Ich kann mir vorstellen, dass in den Ländern, die besser abschneiden, zum Beispiel der Anteil der Frauen im Parlament höher ist als bei uns. Aber das allein sagt nichts aus über den Zustand der Demokratie und der Menschenrechte sowie die Stellung der Frau in der Gesellschaft. Deshalb wäre ich vorsichtig bei Vergleichen mit Ländern wie Aserbaidschan.
Wer ist denn Schuld daran, dass es in den Bereichen Politik und Wirtschaft so große Probleme gibt?
Chržová: Was die politische Teilnahme betrifft, tragen sicherlich die politischen Parteien einen großen Teil der Verantwortung. Sie haben zwar Frauen in ihren Reihen, und in einigen Fällen sogar ziemlich viele, aber die schaffen es nicht in ausreichender Zahl auf die Kandidatenlisten. Und wenn doch, dann irgendwo auf einem hinteren Platz, wo sie geringere Chancen haben, gewählt zu werden. Eine verbindliche Quote für Kandidatenlisten würde sicher helfen – ein Gesetzesvorschlag ist schon auf dem Tisch, was ich begrüße (die Sozialdemokratische Partei hat bereits im August per Mitgliederentscheid eine Frauenquote für ihre Kandidatenlisten bei Parlaments- und Regionalwahlen eingeführt; Anm. d. Red.). Persönlich hätte ich aber ein einfaches Reißverschlusssystem bevorzugt. Es stimmt nicht, dass die Parteien dafür nicht genügend weibliche Mitglieder haben. Die Frage ist nur, wie sie mit ihnen arbeiten und sie tatsächlich unterstützen. Und hier kommen wir zum traditionellen Rollenmodell, das heißt zur verhältnismäßig größeren Belastung der Frau mit „familiären Pflichten“.
Kann es auch sein, dass die Frauen in Tschechien sich nicht für eine Karriere in Politik oder Wirtschaft interessieren?
Chržová: Dass Frauen Interesse an Politik haben, zeigt der vergleichsweise hohe Frauenanteil in der Kommunalpolitik. Und dass Frauen auch an einer Karriere und einem vollwertigen Berufsleben interessiert sind, geht zweifellos aus der Zahl der Hochschulabsolventinnen hervor. Aber Vorurteile und die Einstellung der Gesellschaft machen es ihnen nicht leicht, im Gegenteil. Frauen haben im Durchschnitt einen höheren Bildungsabschluss als Männer, trotzdem kommen sie aus gewissen Positionen nicht heraus, oder nur in Ausnahmen.
Nicht nur im Bereich Bildung schneiden Frauen besser ab. Sie sind auch gesünder und werden älter. Haben sie damit nicht eigentlich sogar das bessere Los gezogen als die Männer?
Chržová: Das hängt eng mit dem bevorzugten Lebensstil zusammen, was ein Kapitel für sich ist. Aber es genügt, sich den Alkohol- und Tabakkonsum anzusehen oder Statistiken über Ernährungsgewohnheiten und Vorsorgeuntersuchungen. Ich glaube, wenn sich die Lebensstile annähern, kann man gegenwärtige Unterschiede ausgleichen.
Zurück zu Wirtschaft und Politik: Was konkret sollten die Frauen hierzulande unternehmen, um die Gleichberechtigung voranzubringen?
Chržová: Sie sollten sich für das politische und gesellschaftliche Geschehen interessieren, und zwar aktiv: an Wahlen teilnehmen, sich in die Arbeit der Parteien einbringen, in die Zivilgesellschaft allgemein. Ich sollte vielleicht auch die gegenseitige Unterstützung und Solidarität der Frauen erwähnen, zum Beispiel derer, die schon in der Politik sind, gegenüber denen, die gerne in die Politik gehen möchten. Im Berufsleben müssen wir flexible Arbeitsbedingungen unterstützen, wo es möglich ist, außerdem Dienste für Familien, das heißt für Kinder, Senioren oder für andere Personen, die auf Hilfe angewiesen sind.
Die Fragen stellte Corinna Anton.
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