Kostbare Ruhestätte
Der Kleinseitner Friedhof wird bis September 2015 instand gesetzt
11. 12. 2014 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: APZ
Mit ihrem morbiden Charme stellen die Prager Friedhöfe kleine kulturhistorische Ruheinseln im Lärm der Großstadt dar. Als einzigartige Anlage gilt der Kleinseitner Friedhof (Malostranský hřbitov), der der Öffentlichkeit bereits seit Jahren nur noch in Ausnahmefällen zugänglich ist. Nun soll die kunstgeschichtlich kostbare Ruhestätte aufwendig restauriert werden – bis zu 30 Millionen Kronen (etwa 1,1 Millionen Euro) will sich die Stadt das kosten lassen. Im September kommenden Jahres soll der Friedhof dann wieder für Besucher geöffnet werden. Das geht aus der Ausschreibung für den Bauauftrag hervor, die unlängst veröffentlicht wurde. Darin heißt es: „Der Friedhof ist mit seiner großen Anzahl wertvoller Grabmäler berühmter Persönlichkeiten ein Ort, an dem sich Natur mit künstlerischem Wert und dem Genius Loci verbinden.“
Um das Areal der Ruhestätte und deren Instandsetzung kümmert sich die städtische Friedhofsverwaltung, finanziell unterstützt wird sie dabei von der EU. In einer ersten Phase soll zu Beginn nächsten Jahres die Landschaft des Friedhofs schonend umgestaltet werden, ohne dabei die Statik der Gräber zu gefährden. Außerdem ist der Bau einer Mauer mit Sichtlöchern sowie eines neuen Treppenzugangs zur Anlage geplant. Diese soll künftig auch für Vorträge und Konzerte genutzt werden können. Zudem sollen Sanitäranlagen und Pfade sowie die Beleuchtung erneuert werden, ein Kamerasystem soll vor Vandalismus schützen. Schließlich werden Restauratoren die Grabsteine und Skulpturen wiederherstellen.
Auf dem Kleinseitner Friedhof fanden zahlreiche Künstler ihre letzte Ruhestätte, darunter viele Vertreter der Strömung der Nationalen Wiedergeburt Mitte des 19. Jahrhunderts. Zu ihnen gehören unter anderem die Maler Adolf Kosárek (1830–1859) und Antonín Mánes (1784–1843), die Sängerin Josefína Dušková (1754–1824) und der Historiker František Martin Pelcl (1734–1801). Das künstlerisch bedeutendste Grabmal befindet sich in der Mitte des Friedhofs, es ist dem Passauer Bischof Graf Leopold von Thun-Hohenstein gewidmet (1748–1826). Berühmt wurde ferner die steinerne Lyra über der Gruft des Komponisten Wenzel Johann Tomaschek (1774–1850), den Goethe einst in die westböhmischen Bäder eingeladen hatte, damit er ihm Gesellschaft leistete.
Anders als sein Name vermuten lässt, befindet sich die Ruhestätte nicht auf der Kleinseite, sondern auf dem Gebiet des fünften Prager Stadtbezirks Smíchov, unweit der Villa Bertramka. 1680 als Pestfriedhof angelegt, gehörte sie ursprünglich zur Kleinseitner Wenzelskirche. Der Grundstein der jetzigen Kirche der Dreifaltigkeit wurde um 1830 gelegt. Als Joseph II. im Jahr 1787 Bestattungen innerhalb des Stadtgebiets untersagte, wurden hier die Bewohner der linken Moldauseite begraben, während der Olschaner Friedhof (Olšanský hřbitov) für die Anwohner jenseits des rechten Moldauufers bestimmt war. Seit 1884 finden auf dem Kleinseitner Friedhof keine Beerdigungen mehr statt. Um ihn vor Vandalismus zu bewahren, wurde er 2001 zum Kulturdenkmal ernannt und nur noch selten für Besucher geöffnet.
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