„Ein humanitärer Akt“
Regierung beschließt Aufnahme von etwa 70 Flüchtlingen aus Syrien
21. 1. 2015 - Text: Marcus HundtText: mh/čtk; Foto: Mohamed Ali MHENNI
Mitte vergangener Woche hat die Regierung ein Zeichen gesetzt, zumindest dem Empfinden einiger Kabinettsmitglieder nach. Tschechien wird laut Regierungsbeschluss 15 Familien aus Syrien aufnehmen, vor allem solche mit kranken Kindern, die dringend ärztliche Hilfe benötigen und in tschechischen Krankenhäusern behandelt werden sollen.
Insgesamt würde es sich laut Innenminister Milan Chovanec (ČSSD) um etwa 70 Personen handeln, die sich derzeit noch in Flüchtlingslagern in Jordanien befinden. Wer genau nach Tschechien einreisen darf, werde aufgrund einer Sicherheitsprüfung allerdings erst „in den nächsten Monaten“ bestimmt.
Als „humanitären Akt“ bezeichnete Chovanec den Beschluss der Regierung, zu dem vor allem Menschenrechtsorganisationen mehrere Male aufgerufen hatten und für den Mitte Dezember noch mehr als 400 Menschen auf die Straße gegangen waren. Vor dem Regierungsamt in Prag und auf dem Mährischen Platz in Brünn demonstrierten sie für eine rasche Aufnahme syrischer Flüchtlinge. „Unser Land würde damit eine kleine Geste der Solidarität zeigen, (…) unser Land, das in den Jahren 1948 bis 1989 selbst hunderttausende Flüchtlinge produzierte“, hieß es in einer Erklärung, die von namhaften Journalisten und Kirchenvertretern unterzeichnet wurde. Die Bürgeraktivistin Eva Dohnalová sah in den Kundgebungen eine „klare Aufforderung an die Regierung, zumindest für die kranken Kinder und deren Angehörige eine Unterkunft anzubieten“.
Gutes Beispiel?
Dieses Ziel ist nun erreicht worden. Doch wer darin eine offenere Flüchtlingspolitik Tschechiens erkennen will, der täuscht sich. Gedanken dieser Art schob Innenminister Chovanec sofort einen Riegel vor. „Der Beschluss spiegelt nicht die Bemühungen der Regierung wider, mit der Aufnahme einer großen Welle von Flüchtlingen zu beginnen“, gab er umständlich formuliert zu Protokoll. Bereits früher erklärte er gegenüber seinen europäischen Amtskollegen in Brüssel, sein Land könne allein schon „aus Sicherheits- und technischen Gründen“ gar nicht so viele Flüchtlinge aufnehmen.
Premierminister Bohuslav Sobotka (ČSSD) sah in der Aufnahme von etwa 15 kranken Kindern ein positives Signal, das Tschechien an ähnlich große Länder aussenden würde. Er sei überzeugt, dass auch diese eine vergleichbare Zahl von Flüchtlingen aufnehmen.
Sein Stellvertreter Pavel Bělo-brádek (KDU-ČSL) erkennt aber auch Probleme. So stellt er sich die Frage, ob man bei der Auswahl der Flüchtlinge die Religionszugehörigkeit berücksichtigen sollte. Chovanec kennt darauf eine klare Antwort: „Natürlich spielt die Religion dabei eine Rolle, aber auch die Ausbildung gehört zu den Kriterien.“ Auf den Punkt gebracht meinte der Sozialdemokrat: Man sollte die Flüchtlinge aufnehmen, bei denen es eine Chance gibt, dass sie sich in die tschechische Gesellschaft integrieren können. Beistand im Umgang mit den syrischen Flüchtlingen erhoffen sich Innenminister Chovanec und Außenminister Zaorálek auch von ihren deutschen Amtskollegen, die sie in einem gemeinsamen Brief von ihrem Anliegen informierten.
Anstatt sich über die Aufnahme von noch mehr Flüchtlingen Gedanken zu machen, beschlossen die Kabinettsmitglieder in der vergangenen Woche ein Hilfsprogramm für die Flüchtlinge vor Ort. Bis zu 100 Millionen Kronen (etwa 3,5 Millionen Euro) pro Jahr will Tschechien dafür bereitstellen.
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