Die Kunst, im Fluss zu sein
Ab März soll zwischen Sachsen und Böhmen ein schwimmendes Kulturzentrum pendeln
21. 1. 2015 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: Nils Brabandt
Niké ist 72 Meter lang und wiegt 230 Tonnen. In diesem Frühjahr soll sie auf große Reise gehen. Wer glaubt, der schönen Siegesgöttin aus der griechischen Mythologie wurden die Flügel gestutzt, der irrt. Die unförmige Nike, von der hier die Rede ist, bezeichnet einen Lastkahn, der die Ufer entlang der Elbe und Moldau bunter gestalten soll.
Das erste schwimmende Kulturzentrum Tschechiens wird in diesem Frühjahr zu Wasser gelassen. Mit seiner „Cargo Gallery“ an Bord, einem Café und dem Sonnendeck für Konzerte, Ausstellungen und Theater soll es ab März auf der Trasse von Ústí nad Labem über Děčín bis nach Pirna und Dresden pendeln. In jeder Stadt wird es etwa eine Woche bis einen Monat vor Anker gehen und ein „opulentes Kulturprogramm anbieten“, so Miloš Burkhardt. Er ist Vorsitzender des Bürgervereins „Niké“, der sich seit August 2011 dafür einsetzt, „normale Leute“ und die Kunstszene miteinander zu verbinden. Die Niké soll dabei künftig die Hauptrolle spielen.
Der Plan, ein mobiles Kulturzentrum aufzubauen, entstand vor vier Jahren. Eine Gruppe junger Fotografen beschloss damals, eine Galerie mit Klub zu gründen, in dem sich Künstler und Besucher begegnen. „Wir waren uns schnell einig, dass wir uns nicht an einen einzigen Ort binden, sondern eine mobile Plattform schaffen wollten“, erzählt Burkhardt. „Da wir es zum Wasser nicht weit haben und den Fluss lieben, lag die Entscheidung für ein Boot nahe.“
Bei Děčín entdeckte die Crew den 60 Jahre alten Lastkahn Amanda – die spätere Niké. Er habe sie begeistert, gerade da er noch fahrtüchtig war und genügend Platz für Kunst und Publikum bereithielt, wie Burkhardt sagt. Also kauften sie 2012 das Schiff und bewahrten es damit vor der Verschrottung.
Seit Juni vergangenen Jahres schlummert der Kahn in einer Werft nahe Děčín, wo er auf seinen großen Auftritt vorbereitet wird. Dort erhielt Niké unter anderem neue Masten und eine Überdachung. Außerdem wurde der Raum für die Galerie umgebaut, die zu einem grenzüberschreitenden Treffpunkt werden soll. „Uns geht es um nichts weniger, als deutsche Künstler in Tschechien vorzustellen und umgekehrt“, wie Burkhardt erläutert. „Wir wollen Vorurteile abbauen und außerdem sinnvolle Freizeitaktivitäten anbieten.“
Ihre erste Reise wird Niké nach Dresden antreten, wo sie von 19. bis 22. März ihre Eröffnungsparty feiert. Danach geht es wieder flussaufwärts.
Auch in Prag will Niké an Land gehen. „Wir würden zum Beispiel gern im Sommer beim United-Islands-Festival vor Ort sein“, sagt Burkhardt. Derzeit laufen die Verhandlungen mit dem Magistrat, wo das Schiff anlegen könnte. Idealerweise soll es zweimal im Jahr zwischen Dresden und Prag hin und her fahren. Im Januar und Februar wiederum soll die Niké in ihrem Heimathafen in Děčín Winterschlaf halten.
Trotz Euphorie gab es auch Hindernisse bei der nunmehr vier Jahre andauernden Realisierung der Niké. „Wir sind uns bewusst, dass noch eine ganze Menge Schwierigkeiten auf uns wartet“, kommentiert Burkhardt die Stolpersteine. „Ich möchte aber nicht die Schwierigkeiten betonen, ich will lieber die positiven Dinge hervorheben.“
Überrascht und erfreut habe das Team unter anderem die Unterstützung durch das Ministerium für regionale Entwicklung, sowie durch die Region Ústí nad Labem und die EU. Von letzterer erhält das Projekt einen Zuschuss in Höhe von umgerechnet 660.000 Euro. Mit weiteren knapp 300.000 Euro beteiligen sich die Organisatoren selbst. „Das ist viel Geld und bedeutet eine große Verantwortung für uns. Für das Geld, das oftmals nicht einmal für die Reparatur eines Spielplatzes reicht, soll hier eine mobile Plattform entstehen, die nicht nur die Ufer, sondern auch die Menschen verbindet.“
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?