Endspurt auf die Burg
Kurz vor der ersten direkten Präsidentschaftswahl spitzt sich die Stimmung zu
9. 1. 2013 - Text: Martin NejezchlebaText: mn/čtk; Foto: M. Bertulat
Eines zumindest steht fest: Tschechien erlebt an diesem Wochenende die erste direkte Wahl des Staatsoberhaupts in seiner Geschichte. Dank einer Verfassungsklage des wegen Unstimmigkeiten in seinen Unterschriftenlisten disqualifizierten Kandidaten Tomio Okamura war selbst der Wahltermin bis Freitag noch nicht sicher. Die Brünner Richter haben die erste Klage des Senators abgelehnt, über eine zweite ist bereits entschieden worden. Das Ergebnis jedoch wird erst am kommenden Freitag verkündet – den Urnengang am 11. und 12. Januar kann das Urteil also in keinem Fall mehr abwenden.
Dem nahenden Termin entspricht auch die hitzige Vorwahlstimmung: Die Kampagnen laufen auf Hochtouren, auf etliche Kandidaten deuten die Zeigefinger ihrer Kritiker, kein Tag vergeht ohne Fernsehduell. Nach der sogenannten „Superdebatte“ aller neun Kandidaten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist dann einstweilen Sendepause. Endgültig wird über die Nachfolge von Václav Klaus wohl erst zwei Wochen später entschieden. Sollte keiner der Anwärter auf das Präsidentenamt eine absolute Mehrheit erlangen, folgt die Stichwahl zwischen den beiden stärksten Kandidaten.
Glaubt man den Umfragewerten, läuft diese auf ein Duell der ehemaligen Regierungschefs hinaus: Der parteilose Statistiker Jan Fischer gegen das politische Schwergewicht Miloš Zeman (SPOZ), den spätestens seit dem umstrittenen Oppositionsvertrag zwischen Sozial- und Bürgerdemokraten eine Hassliebe mit Václav Klaus verbindet. Die meisten Umfragen sehen Fischer seit September knapp vor Zeman, in den vergangenen Wochen konnte der einstige ČSSD-Vorsitzende nachziehen. In der jüngsten Studie der Agentur „ppm Factum“ verzeichnet Zeman 0,6 Prozentpunkte Vorsprung. Bei etwa 10 Prozent sehen die Meinungsforscher Außenminister Karel Schwarzenberg (TOP 09) und den Kandidaten der Sozialdemokraten Jiří Dienstbier.
Politologen warnen vor vorzeitigen Schlüssen. „Ich vertraue dem Ganzen nicht“, sagt Politologe Miroslav Mareš, „da es sich um die ersten Direktwahlen handelt, gibt es in den Hochrechnungen eine ganze Reihe von Unbekannten.“
Nicht nur verspricht das Spannung bis zum Schluss. Václav Klaus hat die Direktwahl als Pendant zu „Tschechien sucht den Superstar“ kritisiert. Zumindest das Privatfernsehen scheint ihn beim Wort genommen zu haben. Bei einer Debatte zwischen den Favoriten ermittelte „TV Nova“ den Gewinner per Dezibel-Messgerät. Am meisten Krach machten die Anhänger von Fischer – später kam heraus, dass er einen Teil seiner Fans bezahlt hatte. Indes wird der einstige Interimspremier immer heftiger wegen seiner kommunistischen Vergangenheit kritisiert.
Miloš Zeman sieht sich derweil mit einer Klage wegen unklarer Finanzierung seiner Kampagne konfrontiert. Seit langem wird über Kontakte zum russischen Konzern Lukoil gemunkelt. Nun klagt ein Rechtsanwalt wegen 6,7 Millionen Kronen auf Zemans Konto – Herkunft unbekannt.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“