Gedenken mit Beigeschmack
70 Jahre nach Auschwitz-Befreiung: Präsident Zeman ruft zum „bewaffneten Kampf“ gegen den IS auf – Verhältnis zu Russland überschattet Feierlichkeiten
28. 1. 2015 - Text: Ivan DramlitschText: Ivan Dramlitsch; Foto: Ondřej Hájek/ČTK
Mit einer Trauerfeier im ehemaligen Konzentrationslager Theresienstadt sind am Dienstagnachmittag die zweitägigen Gedenkfeierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz zu Ende gegangen. An der Zeremonie nahmen neben Präsident Miloš Zeman, Außenminister Lubomír Zaorálek und zahlreichen ausländischen Gästen auch mehr als 90 tschechische Holocaust-Überlebende teil.
Zuvor hatte anlässlich des Jahrestages am Montag und Dienstag in Prag das vom Europäischen Jüdischen Kongress und dem Europaparlament organisierte internationale Forum „Let My People Live!“ getagt, bei dem über Möglichkeiten einer Abwehr von Extremismus, Rassismus und Antisemitismus beraten wurde. Zum Abschluss der Konferenz wurde die sogenannte „Prager Erklärung“ verabschiedet, in der zu einer „Null-Toleranz-Politik“ gegenüber Antisemitismus und Rassenhass aufgerufen wird und 20 Schritte zur Eindämmung von Extremismus und Terrorismus vorgeschlagen werden.
„Aufruf zum Kreuzzug“
Dass der Auftritt von Präsident Zeman für Aufsehen sorgen würde, war nicht wirklich überraschend, zumal er bereits am Vortag eine „sehr radikale Rede“ ankündigte. Zeman rief darin zu einem bewaffneten Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) auf, denn dieser habe „einen ähnlichen Charakter wie Nazi-Deutschland zu Beginn der dreißiger Jahre“. Eine bewaffnete Aktion sei notwendig, um einen „Superholocaust“ mit „hunderten Millionen Opfern“ zu verhindern. Zemans fragwürdiger historischer Vergleich blieb allerdings nicht lange unwidersprochen. Außenminister Zaorálek bezeichnete diesen „Aufruf zum Kreuzzug“ kurzerhand als „Unsinn“.
Abseits aller offiziellen Verlautbarungen werfen die Hintergründe der zweitägigen Prager Veranstaltung jedoch einige Fragen auf. Da ist zum einen Wjatscheslaw Mosche Kantor, russischer Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses (EJC), der sich laut dem Wochenmagazin „Respekt“ das Prager Treffen „ausdachte, durchsetzte und realisierte“ (der Artikel erschien auch in der „Prager Zeitung“, Ausgabe 3/2015). Kantor gilt wegen seiner Nähe zu Putin und einigen kontroversen Äußerungen als umstritten – 2008 hatte deshalb der Zentralrat der Juden in Deutschland, genauso wie die jüdischen Verbände Österreichs, Portugals und Frankreichs, die Mitgliedschaft im EJC auf Eis gelegt.
Kantor habe von Beginn an die Prager Konferenz als Konkurrenzveranstaltung zur offiziellen Gedenkfeier in Auschwitz angelegt, von deren Organisation er laut „Respekt“ ausgeschlossen worden war. In der Tat sorgte die Tatsache, dass Prag gleichzeitig zur Gedenkfeier in Auschwitz die Weltpolitik nach Tschechien einlud, beim polnischen Nachbarn für Verärgerung und einen kurzzeitigen diplomatischen Schlagabtausch. Dass die „Big Player“ der internationalen Politik der Einladung nach Auschwitz den Vorzug gaben, wird man in Polen mit Genugtuung quittiert haben. Der polnische Affront gegen Russland in Gestalt der Nichteinladung Wladimir Putins nach Auschwitz überschattete das Gedenken am Ort des Schreckens freilich dennoch.
Umstrittene Putin-Freunde
In Prag sorgte indes der Auftritt eines Mannes, der vorher auf keiner Gästeliste stand, für weitere Irritationen: Wladimir Jakunin. Der Chef der staatlichen russischen Eisenbahngesellschaft gilt als Freund und einer der engsten Vertrauten von Kreml-Chef Putin. In den Vereinigten Staaten ist er seit der Ukraine-Krise Persona non grata, bekannt wurde er unter anderem durch seine scharfen Attacken auf Homosexuelle („vulgärer Ethno-Faschismus“); und auch sein angeblich undurchsichtiges Geschäftsgebaren ist Gegenstand der Kritik. Dass es den Organisatoren gelungen ist, den milliardenschweren Putin-Freund nahezu „heimlich“ auf die Konferenz zu schleusen, nahmen manche tschechischen Medien zum Anlass, von einer Konferenz „in der Regie der Russen“ zu sprechen.
In diesem Zusammenhang wird man in Prag letztendlich erleichtert gewesen sein, dass der ebenfalls eingeladene Wladimir Putin nicht in die tschechische Hauptstadt gekommen war. Eine noch deutlichere russische Präsenz in Tschechien hätte angesichts der sich wieder verschärfenden Ukraine-Krise gegen Moskau gerichtete Demonstrationen auf den Straßen Prags provozieren können – daran hatten die Gastgeber keinerlei Interesse.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“