Fragwürdige Meiler
Bürgerinitiativen kritisieren mangelhafte Umweltverträglichkeitsprüfung – österreichische Vereine klagen gegen Ausbau
28. 1. 2015 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: Vadim Mouchkin/IAEA
Die mögliche Erweiterung des Atomkraftwerks im südböhmischen Temelín ist erneut auf Widerstand gestoßen. Hatten vor knapp einer Woche verschiedene tschechische Initiativen bereits beim Verwaltungsgericht in Brünn Klage gegen den Ausbau eingereicht, hat nun auch die österreichische Seite rechtliche Schritte unternommen.
Die Organisationen der oberösterreichischen Antiatom-Offensive reichten am Sonntag eine Klage gegen die Genehmigung des Temelín-Ausbaus ein, die zuvor vom tschechischen Amt für atomare Sicherheit (SÚJB) gebilligt wurde. Wie Oberösterreichs Landesrat für Umwelt, Energie, Wasser und Verbraucherschutz Rudolf Anschober sagte, wolle er „gemeinsam mit Antiatom alle möglichen Schritte unternehmen, um den Ausbau Temelíns zu verhindern“. Zugleich bezeichnete er Atomenergie als unwirtschaftlich.
Dem Temelín-Betreiber ČEZ zufolge sei das Vorgehen der Organisationen merkwürdig. „Es ist sonderbar, dass die Klage zwei Jahre kommt, nachdem die Auswirkungen der Bauarbeiten auf die Umwelt abgeschätzt wurden“, kommentierte der Sprecher des halbstaatlichen Energieunternehmens Ladislav Kříž. Die Umweltverträglichkeitsprüfung sei 2013 nach viereinhalb Jahren vom Umweltministerium abgeschlossen worden. „Gelegenheit, sich zu äußern, hatten auch die österreichischen Bürger gehabt. Es gab Informationsveranstaltungen für die breite Öffentlichkeit in Wien und in Passau. Das Interesse daran war geringer, als wir erwartet hatten“, so Kříž. Alle gesetzlichen Pflichten seien erfüllt worden. Wenn sich nun jemand zu Wort melde, sei das eigenartig, jedoch jedermanns Recht, meinte Kříž.
Erst wenige Tage zuvor hatten die Organisationen Südböhmische Mütter (Jihočeské matky), Bürgerinitiative für Umweltschutz (Občanská iniciativa pro ochranu životního prostředí) und die Bewegung „Calla“ beim Verwaltungsgericht in Brünn Klage gegen das Amt für atomare Sicherheit eingereicht. Damit wollen sie ebenfalls gegen dessen Entscheidung zum Ausbau des AKW Temelín um zwei weitere Reaktorblöcke vorgehen. Ihre rechtlichen Schritte begründeten die Organisationen vor allem mit formalen und inhaltlichen Fehlern, die bei der Erstellung der Umweltverträglichkeitsprüfung unterlaufen seien. „Wir können uns nicht damit abfinden, wie das gesamte Verfahren durchgeführt wurde, beispielsweise damit, wie das Umweltministerium all unsere Bedenken ignoriert hat“, erklärte Edvard Sequens von der Bewegung „Calla“ am Mittwoch vergangener Woche. Ferner habe die staatliche Behörde nicht ausreichend die Auswirkungen des konkreten Meilertypus, um den Temelín erweitert werden soll, in Betracht gezogen.
Die Ausschreibung für den geplanten Bau von zwei neuen Blöcken in Temelín wurde von der Betreibergesellschaft ČEZ im vergangenen Jahr auf Eis gelegt, nachdem der Staat keine Garantien für Strom-Mindestabnahmepreise geben wollte. Dennoch ist eine neue Ausschreibung vorgesehen, Beobachter gehen allerdings von einem Baubeginn nicht vor 2025 aus. Das Investitionsvolumen wird auf umgerechnet bis zu zwölf Milliarden Euro geschätzt.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“