Revier ohne Kohle
Der Stadtrat von Ústí nad Labem stimmt gegen die Aufhebung der Fördergrenzen
18. 2. 2015 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: M. Nejezchleba
In der Debatte über die Förderlimits für den Braunkohleabbau hat sich der Stadtrat von Ústí nad Labem zu Wort gemeldet. Wie in der vergangenen Woche bekannt wurde, sprach er sich Anfang Februar einstimmig dafür aus, die Grenzen bestehen zu lassen. In seinem Beschluss fordert er die Regierung dazu auf, die 1991 vom Kabinett Pithart verabschiedeten Limits unverändert aufrechtzuerhalten. Die Kreisregierung dagegen unterstützt den Plan, die Grenzen aufzuheben. Ihre Vertreter wollen aber erst im Frühjahr eine Stellungnahme abgeben.
„Ich bin sehr froh, dass sich die Stadtführung so entschieden hat. Wir setzen uns vor allem für Wohl und Wohlstand unserer Bürger ein. Aber wir unterstützen auch die Bürger bedrohter Gemeinden – und diese haben genauso ein Recht auf ihr Zuhause wie die Menschen in Ústí. Wir wollen nicht, dass unsere Stadt und der Kreis verflucht bleiben wie im vergangenen Jahrhundert“, begründete der Bürgermeister von Ústí nad Labem Josef Zikmund (ANO) die einstimmig ablehnende Haltung des Stadtrates. Dieser bemühe sich zudem darum, das Image der Region als Industriedistrikt zu verbessern. „Wir haben Ambitionen, die darüber hinausgehen“, so Zikmund.
Die Meinungen im Kreis Ústí nad Labem gehen indes auseinander. Während sich Teplice und das nahe Horní Jiřetín gelegene Litvínov (Leutensdorf) gegen eine Ausweitung der Kohleförderung aussprechen, befürwortet der Bürgermeister von Most Jan Paparega diese. Wie er betonte, müssten vor allem die Konsequenzen für die Arbeitslosigkeit berücksichtigt werden, sollten die Limits in der Grube der Tschechoslowakischen Armee (ČSA) nicht überdacht werden.
Im Januar hatte Industrie- und Handelsminister Jan Mládek (ČSSD) vier Varianten vorgelegt, wie mit den Fördergrenzen verfahren werden könnte. Sie könnten beibehalten oder völlig aufgehoben werden, zwei weitere Möglichkeiten sehen vor, die Limits teilweise aufzubrechen – und zwar nur in der Grube in Bílina oder aber in Bílina und in der Braunkohlegrube der Tschechoslowakischen Armee. Für den Ort Horní Jiřetín (Obergeorgenthal) am Rand des nordböhmischen Braunkohlereviers bedeuten diese zwei Szenarien einen teilweisen Abriss. Ungefähr 170 Häuser müssten weichen, sollte sich die Regierung für eine Förderung in Bílina sowie in der ČSA-Grube entscheiden. Sollten die Limits gänzlich abgeschafft werden, würde die 2.300-Einwohner-Stadt nahe Most (Brüx) dem Erdboden gleichgemacht.
Bisher gibt es innerhalb der tschechischen Regierung keinen Konsens über den Umgang mit den Limits. Mládek befürwortet einen teilweisen Kohleabbau in Bílina und damit die Variante, derzufolge ein Ortsteil von Horní Jiřetín abgerissen würde. Premier Bohuslav Sobotka (ČSSD) gab bekannt, jene Option zu unterstützen, die keinerlei Abriss zur Folge hätte. Gegen das Aufweichen der Fördergrenzen stimmen Umweltminister Richard Brabec und Finanzminister Andrej Babiš (beide ANO). Staatsoberhaupt Miloš Zeman hingegen spricht sich für einen verstärkten Kohleabbau aus ebenso wie die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens sowie Gewerkschafter und Vertreter der Arbeitgeberverbände.
Das Ministerium für Industrie und Handel will bis Ende Juni eine Studie über die sozialen und ökonomischen Auswirkungen der vier Varianten auf die Region vorlegen. Wie Mládek am Montag sagte, könne dann im Juli endgültig über die Fördergrenzen entschieden werden. Eigenen Worten zufolge hält es Mládek für wahrscheinlich, dass das Kabinett die Limits zumindest in der Grube Bílina aufbrechen werde.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“