„Ewige Klischees hinterfragen“
Manfred Schmidt ist neuer Leiter des „Festival Mitte Europa“. Im PZ-Gespräch verrät der Pianist, welche Pläne er für den deutsch-tschechischen Kultursommer hat
26. 2. 2015 - Text: Franziska Neudert, Foto: Morement
Nach 23 Jahren als künstlerischer Leiter des deutsch-tschechischen „Festival Mitte Europa“ hat Thomas Thomaschke seinen Posten an Manfred Schmidt abgetreten. Der 40-jährige Pianist übernimmt die Gestaltung des Festivals, das jeden Sommer über sieben Wochen hinweg Sachsen, Bayern und Böhmen mit kulturellen Veranstaltungen verbindet. Mit PZ-Redakteurin Franziska Neudert sprach der Solist über seine Pläne, wunde Punkte im deutsch-tschechischen Verhältnis und die Frage, wie diese durch Musik überwunden werden können.
Wie kam es dazu, dass Sie zum neuem Festivalleiter ernannt wurden?
Manfred Schmidt: Ich kenne das Festival seit 13 Jahren. Einerseits durch mein Mitwirken in der Gesangsmeisterklasse von Professor Thomas Thomaschke, aber auch durch viele Konzerte aus der Sicht des Künstlers. In Berlin habe ich vor vier Jahren eine Konzertreihe ins Leben gerufen, bei der sich meine Gestaltungsideen und Ideale herauskristallisiert haben. Als die Ausschreibung der Stelle für den Festivalleiter veröffentlicht wurde, war mir klar: Das möchte ich machen, denn ich nehme meinen Beruf als Berufung wahr.
Was bedeutet das „Festival Mitte Europa“ für Sie?
Schmidt: Ich habe mich immer wieder mit den Gründungsgedanken und Werten der Initiatoren auseinandergesetzt und nehme das Festival nicht als beliebige Konzertplattform wahr. Es ist mir eine Herzensangelegenheit geworden, bei der ich den nachbarschaftlichen Dialog und das freundschaftliche Klima als Grundlage des jährlichen Kultursommers fördern möchte.
Wie sehen Sie die Entwicklung des Festivals, das in diesem Jahr zum 24. Mal stattfindet?
Schmidt: In den vergangenen Jahren ist es für das Festival zunehmend schwerer geworden, Fördergelder zu akquirieren, da es sich jenseits der Metropolen vielleicht nicht medienwirksam genug inszenieren lässt. Ich sehe es mit seinem wichtigen grenzübergreifenden Beitrag aber als ein Projekt, dessen Potential mehr Wahrnehmung und Unterstützung verdient.
Welche Pläne haben Sie für die künstlerische Gestaltung?
Schmidt: Mir schwebt ein Beteiligungsprojekt vor, bei dem es zu einem künstlerischen deutsch-tschechischen Jugendaustausch kommt, denn ich bin davon überzeugt, dass diese Praxis kultureller Bildung vielschichtige Auswirkungen auf die Teilnehmenden hat. Außerdem möchte ich Konzertformate schaffen, in denen sich Künstler und Publikum noch nahbarer als Menschen wahrnehmen. Auch auf die Attraktivität der Festivalregionen möchte ich verstärkt hinweisen und hierfür eine Vernetzung mit den Tourismusverbänden herstellen. Indem beispielsweise aufeinanderfolgende Konzerte im Paket angeboten und durch eine Reise miteinander verknüpft werden, haben die Festivalbesucher die Möglichkeit, Kulturgenuss und Urlaubsreise in einem zu buchen.
Wie muss man sich die Aufgabe des künstlerischen Leiters in der Praxis vorstellen?
Schmidt: Zunächst einmal gilt es, die Arbeitsabläufe und alle Spielorte mit den handelnden Personen vor Ort kennenzulernen. Ich freue mich auch darauf, Sponsoren und Geldgeber mit frischem Elan zu kontaktieren. Die Aufgabe des künstlerischen Leiters geht für mich weit darüber hinaus, ein interessantes Programm mit spannenden Musikern an schönen Orten zu kreieren. Ich werde die Verantwortung für die Gesamtkonzeption tragen sowie die regionalen, nationalen und internationalen Kontakte auf politischer und kultureller Ebene ausbauen.
Worauf freuen Sie sich besonders?
Schmidt: Ich freue mich auf die gemeinsame Arbeit mit Menschen für Menschen, inspirierende Begegnungen und Grenzerfahrungen, die kreative Lösungen fordern. Ziel des Festivals war es von Anfang an, durch Musik die Menschen im Grenzraum zwischen Bayern, Böhmen und Sachsen einander näherzubringen. Herausforderung sind dabei definitiv die Größe des Spielgebiets und die unterschiedlichen Mentalitäten – das war und ist aber auch die Chance des Ganzen.
Wie schätzen Sie den Beitrag der Musik dazu ein?
Schmidt: Ein Zitat von E.T.A. Hoffmann begleitet mich seit vielen Jahren: „Das ist das wunderbarste Geheimnis der Tonkunst, dass sie da, wo die arme Rede versiegt, erst eine unerschöpfliche Quelle der Ausdrucksmittel öffnet.“ In einer Zeit, in der sich in Europa statt ehemals geopolitischer Grenzen zunehmend innere Grenzen entwickeln, in denen Fremdes und Andersartiges als Bedrohung wahrgenommen wird, kann Musik einen wichtigen kulturellen Beitrag zur Gemeinschaftsbildung und Toleranz leisten.
Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Deutschen und Tschechen?
Schmidt: Bezogen auf das Festival ist es sehr wichtig, dass Deutsche und Tschechen gemeinsam etwas auf die Beine stellen. Auch wenn sich unsere Hauptgeschäftsstelle in Pirna befindet, arbeiten wir paritätisch und unter absolutem Einbezug der einzelnen Regionen. Ganz allgemein gilt es immer noch, die ewigen Klischees zu hinterfragen. Aber vielleicht macht genau das unsere Beziehung auch liebenswürdig, weil es wichtig ist, dem Anderen immer wieder neu zu begegnen, um festzustellen, was uns verbindet oder unterscheidet. Ein tatsächlich wunder Punkt ist die wachsende Fremdenfeindlichkeit in beiden Ländern. Hier können wir mithilfe der Kultur zur Verständigung beitragen.
Werden Sie künftig beim Festival noch selbst am Klavier zu hören sein?
Schmidt: Da ich beim Musizieren ein sehr glücklicher Mensch bin, werde ich sicherlich den einen oder anderen kreativen musikalischen Beitrag leisten. Die inhaltliche Gestaltung des Festivals hat jedoch absolute Priorität.
Woran arbeiten Sie gerade als Musiker?
Schmidt: Ich arbeite an den Goldbergvariationen von Johann Sebastian Bach sowie an einem Klavierquartett-Programm mit einem Solistenensemble der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Pläne und Projekte gibt es immer; doch jetzt möchte ich meine Konzentration und Inspiration verstärkt dem „Festival Mitte Europa“ widmen.
Festival Mitte Europa, 14. Juni bis 3. August, Informationen unter www.festival-mitte-europa.com
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