Immer wenn es Nacht wird
Vor 60 Jahren bauten Hobbyastronomen in Eigenregie die Sternwarte in Ďáblice. Am Freitag kann man dort die partielle Sonnenfinsternis durchs Teleskop beobachten
11. 3. 2015 - Text: Corinna AntonText und Foto: Corinna Anton
Václav Přibáň ist ein nüchterner Mensch, der im Gespräch kaum eine Miene verzieht. Nur einmal kann man die Spur eines Lächelns auf seinen Lippen vermuten: „Das wird sehr beeindruckend“, sagt der 65-Jährige. Er freue sich, dass fast drei Viertel verdeckt sein werden. Přibáň spricht von der Sonnenfinsternis, die am Freitag, 20. März in Tschechien als teilweise Verdunkelung zu beobachten sein wird. Als Leiter der Sternwarte in Ďáblice wird Přibáň den Vormittag, an dem sich der Mond zwischen 9.30 und 12 Uhr zwischen Erde und Sonne schieben wird, am Teleskop verbringen und Besuchern helfen, sich am Himmel zu orientieren.
Astronomische Ereignisse wie die anstehende partielle Sonnenfinsternis locken oft neue Gäste in die Sternwarte in Ďáblice am nördlichen Prager Stadtrand. Ansonsten geht es dort eher gemütlich zu. Etwa 1.300 Besucher kommen im Jahr zu Vorträgen oder um einen Blick durchs Teleskop zu werfen, außerdem rund 4.000 Schüler mit ihren Lehrern. Mit den neuesten technischen Errungenschaften kann das Observatorium nicht locken, dafür ist der teils bewaldete Hügel Ďáblický háj, auf dem sie sich befindet, für Spaziergänger auch bei Tageslicht ein beliebtes Ausflugsziel. Bei gutem Wetter reicht die Sicht hier im Norden bis zum Berg Říp. Wenn es dunkel werde, sei es durchaus romantisch hier, sagt Přibáň, deshalb besuchten die Sternwarte auch oft jüngere Menschen, die sich nicht so sehr für Umlaufbahnen und Oberflächenbeschaffenheiten von Himmelskörpern interessieren.
Schöner Saturn
Přibáň dagegen kann sich noch immer nicht sattsehen an den Planeten. Besonders schön sei der Saturn wegen seines Rings, erklärt er, interessant zu beobachten aber auch der Jupiter mit seinen Monden. Durch die Teleskope der Sternwarte in Ďáblice sehen Besucher die Planeten 75 bis 300 Mal größer als mit dem bloßen Auge. Auch der jetzige Leiter des Observatoriums kam in den siebziger Jahren zunächst als Gast auf den Hügel. Jetzt könnte er eigentlich schon in Rente gehen, aber die Sterne und der Mond lassen ihn nicht los. Astronomie hat der Mechaniker in einem Kurs der Štefánik-Sternwarte auf dem Petřín und im Selbststudium gelernt, zu Hause hat er sich ein eigenes Teleskop geschliffen. Als er anfing, sich für Astronomie zu interessieren, sei die Stadt noch nicht so stark beleuchtet gewesen, deswegen strahlten die Sterne über Ďáblice damals noch ein bisschen heller als heute, erinnert sich der Prager.
Überhaupt sah es um den Hügel im Norden der Stadt ganz anders aus, als er zum Standort der Sternwarte wurde: Ďáblice war noch eine eigenständige Gemeinde ohne Hochhäuser, als sich in den fünfziger Jahren einige Anwohner zu einem astronomischen Zirkel zusammenschlossen. Initiator und Leiter der Gruppe war der Lehrer Zdeněk Corn, dessen Begeisterung dem Nachthimmel galt. Er organisierte Vorlesungen, man blickte auf der Anhöhe in der Nähe des Friedhofs gemeinsam in die Sterne und konnte auch Mitglieder gewinnen, die über nützliche Kontakte verfügten. So baute einer der Hobby-Astronomen ein eigenes Teleskop, mit dem der Grundstein für die Sternwarte gelegt war: „Es sollte langsam ein Dach über dem Kopf bekommen“, sagt Přibáň.
Betonplatten für eine Krone
Glück für das Projekt war, dass in der Gemeinde Anfang der fünfziger Jahre einer der ersten Plattenbauten des Landes errichtet wurde. „Der erste Teil der Sternwarte entstand aus Materialien, die übrig waren“, so der heutige Leiter. Eine Betonplatte habe damals eine Krone gekostet, aber nicht einmal die mussten die Mitglieder des astronomischen Zirkels entrichten. Auch die politisch Verantwortlichen hatten nichts gegen die private Initiative einzuwenden. Dass sich die Menschen mit naturwissenschaftlichen Themen beschäftigen wollten, habe in die Zeit gepasst, glaubt Přibáň. Eingeweiht wurde die erste Kuppel im November 1956, bis heute besteht sie nahezu unverändert aus den Hochhausteilen.
Auch das Teleskop, durch das Besucher in die Sterne blicken, stammt aus dieser Zeit: Ein Astronom der Sternwarte am Petřín sorgte dafür, dass es vom Nationalen Technikmuseum auf der Letná-Ebene nach Ďáblice gebracht wurde. Die zweite Kuppel kam, ebenfalls in Eigenregie, in den sechziger Jahren hinzu. Das Teleskop, das dort noch immer seinen Zweck erfüllt, wurde aus einer privaten Sammlung in Prag organisiert. Kurz darauf verlor jedoch nicht nur Ďáblice seine Eigenständigkeit, indem es von Prag eingemeindet wurde: Die Sternwarte wurde mit der auf dem Petřín zusammengelegt, seit 1979 sind beide mit dem Planetarium zusammen ein städtischer Betrieb.
Der astronomische Zirkel von Ďáblice blieb nicht bestehen, das Interesse der Öffentlichkeit am Sternenhimmel sei jedoch über die Jahre gleich geblieben, meint Přibáň. Ausreißer nach oben verzeichnete er zum Beispiel 1986, als der Halleysche Komet in Erdnähe kam, oder beim Venustransit im Jahr 2004, den sogar eine Frau aus Kalifornien in Ďáblice beobachtete. Am Freitag kommender Woche rechnet der Leiter des Observatoriums mit Dutzenden Besuchern – bei gutem Wetter. Sollte eine Wolkendecke die Sicht auf die Sonne verdecken, wird sich das Spektakel in Grenzen halten. Dann wird es am Vormittag lediglich etwas dunkler sein als sonst.
Sonnenfinsternis in Prag
Von Prag aus betrachtet beginnt der Mond am Freitag, 20. März um 9.36 Uhr, sich zwischen Erde und Sonne zu schieben. Den Höhepunkt mit der größten Verdunkelung wird die Sonnenfinsternis um 10.45 Uhr erreichen, um 11.57 Uhr wird der Mond die Sonnenscheibe wieder vollständig freigeben. In der Sternwarte in Ďáblice (Pod hvězdárnou 768, Prag 8) können Besucher das astronomische Ereignis von 9 bis 12 Uhr beobachten. Auch die Warte am Petřín (Štefánikova hvězdárna) wird von 9 bis 12 Uhr ihre Kuppeln öffnen. Das Prager Planetarium (Královská obora 233, Prag 7) organisiert anlässlich der partiellen Sonnenfinsternis ein Wochenende zum Thema, das am Freitagvormittag mit der Möglichkeit zur Beobachtung und einer Show beginnt. Weitere Vorführungen zum Thema Sonne, Weltall und Kometen laufen am Samstag von 10.30 bis 20 Uhr und am Sonntag von 10.30 bis 18 Uhr. Informationen und Programm unter www.planetarium.cz
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