Touristisches Neuland
Das ostslowakische Košice wirbt als Kulturhauptstadt Europas 2013 um Besucher
10. 1. 2013 - Text: PZText: PZ; Foto: Wikipedia
„Sechs Tage lang scheint allerdings der Charakter des Platzes ausgesprochen dörfisch, aber dies kann den nicht täuschen, der das Namiestie Legionarov, vormals Ercsébet tér, auch am Mittwoch kennt. Der, der weiß, wie es am Mittwoch aussieht, darf behaupten, daß diese Stille nicht der eines Dorfplatzes analog ist, sondern der einer Bühne am Vormittag: Alles ist vorbereitet, Versatzstücke werden den Raum in Räume teilen, Kulissen werden endlose Weiten ergeben, und die jetzt leere Bodenfläche wird von wogender Fülle belebt sein. (…) In schmalen Parallelen stehen die Händler. Im Mittelalter hatte jedes Gewerbe seine Straße. Hier ist Mittelalter. Jedoch um wieviel Berufszweige mehr finden auf diesem beschränkten Platz Platz, um wieviel mehr als in den größten mittelalterlichen Städten, um wieviel spezialisierter sind wir heute!“
Einen solchen „Mittwoch in Kaschau“, den der rasende Reporter Egon Erwin Kisch vor knapp hundert Jahren beschrieb, kann man heute in der mit 240.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt der Slowakei, in Košice, nicht mehr erleben. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Machtübernahme der Kommunisten in der damaligen Tschechoslowakei entwickelte sich die Stadt zu einem Industriezentrum, die im Krieg zerstörten Gebäude wurden ersetzt durch triste Plattenbau-Siedlungen. Lediglich im Stadtzentrum finden sich Zeugnisse der alten Zeit, die allesamt unter Denkmalschutz stehen, dominiert von der größten Kirche der Slowakei und dem Wahrzeichen von Košice, dem aus dem 15. Jahrhundert stammenden St.-Elisabeth-Dom.
Diese Symbiose aus Alt und Neu überzeugte schließlich den Rat der Europäischen Union, der die ostslowakische Industriestadt gemeinsam mit der französischen Hafenstadt Marseille zur Kulturhauptstadt Europas 2013 erklärte. Bereits der Schriftsteller Sándor Márai (1900–1989) stellte fest, „Kaschau war eine europäische Stadt“, weil in seiner Geburtsstadt Slowaken, Ungarn, Deutsche, Ukrainer, Polen und Juden miteinander lebten. Dem „ungarischen Kafka“, so wird Márai oft bezeichnet, da seine Werke im Sozialismus verpönt waren und erst nach der politischen Wende neu entdeckt wurden, wird in diesem Jahr in zahlreichen Veranstaltungen genauso gedacht wie der jüdischen Geschichte, die vor 1989 weitgehend ausgeblendet worden war.
Košice war und ist noch immer eine europäische Stadt, obwohl sie sich unweit der EU-Außengrenze befindet.
Dass sie das als erste Kulturhauptstadt der Slowakei allen zeigen will, beweist das umfang- und abwechslungsreiche Programm, das die Organisatoren auf die Beine gestellt haben.
Offiziell eröffnet werden die Feierlichkeiten in der kommenden Woche. Am 19. Januar fällt der Startschuss für ein einzigartiges Festival der Musik, Literatur, Kunst, des Theaters und Films. Das Programm K.A.I.R. (Košice Artist in Residence, www.kair.sk) lädt für mehrmonatige Aufenthalte ein und entsendet lokale Künstler zu internationalen Residenzen. So soll die Stadt in den europäischen Kunstnetzwerken etabliert und eine Plattform für zeitgenössische Kunst geschaffen werden.
Zum größten denkmalgeschützten Stadtgebiet der Slowakei gehören neben dem Elisabeth-Dom die Reste der ehemaligen Stadtbefestigung, die Henkers- und Mühlbastei. Das Alte Rathaus ist ebenso sehenswert wie das um die Jahrhundertwende errichtete Staatstheater. Die ungarische Roma-Minderheit betreibt in Košice seit 1992 das weltweit erste professionelle Roma-Theater (Theater Romathan). Die Vorführungen finden sowohl auf Romani als auch auf Ungarisch – jeweils mit slowakischer Übersetzung – statt.
Das Herz der Altstadt ist der Marktplatz mit schicken Häuserfassaden aus der Barock- und Gründerzeit. Am südlichen Ende der Innenstadt befindet sich der Kasarne-Kulturpark (www.kasarne.sk), ein zentrales Entwicklungsprojekt des Kulturhauptstadtjahres. In den im 19. Jahrhundert errichteten Kasernengebäuden findet ein vielfältiges Kulturprogramm statt, zudem sind dort preiswerte Arbeitsräume für junge Kunstschaffende entstanden. Wer die alternative Kulturszene der Stadt kennenlernen will, sollte die unabhängige Kulturfabrik Tabačka (www.tabacka.sk) besuchen; sie bildet eine spannende Abwechslung zu den etablierten Institutionen.
Veranstaltungen in Košice (Auswahl)
19. und 20. Januar Eröffnungszeremonie
6. März bis 15. April Febio Fest (Internationales Filmfestival)
15. Mai Nacht der Literatur
18. Mai Nacht der Museen
22.–26. Mai Festival „Use the C!ty“ (Kunst im öffentlichen Raum)
Juni Košice Gourmet Festival
Juni Return Water to the City
26.–30. Juni Cassovia Folk Fest
Juli Festival der jüdischen Kultur
5.–9. September Festival des Mitteleuropäischen Theaters
4.–6. Oktober Culture Marathon & White Night (Marathonlauf mit kulturellem Begleitprogramm)
24.–27. Oktober New Dance Days
3., 10. und 17. November Jazz FOR SAle
13. Dezember Abschlusszeremonie
Weitere Veranstaltungen auf der Internetseite www.kosice2013.sk
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