Fingerkleider für Millionen

Fingerkleider für Millionen

Leere Fabriken und eine Ausstellung erinnern in Abertamy an die Tradition der Handschuhmacher

26. 3. 2015 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: privat

Handschuhe aus Abertamy (Abertham) waren einst berühmt: Sportler trugen sie bei den Olympischen Spielen, aus Böhmen wurden sie in der Zwischenkriegszeit bis nach Nordamerika und Südafrika exportiert. Heute erinnern in der gut 1.000 Einwohner zählenden Gemeinde im Kreis Karlovy Vary (Karlsbad) nur noch verfallende Fabrikgebäude an die Tradition – und eine Schau im Rathaus, die an zwei Nachmittagen im Monat besichtigt werden kann.

Die Ausstellung entstand im Jahr 2011, als sich ehemalige Handschuhmacher aus Abertamy trafen. Von ihnen stammten auch die meisten Exponate, erklärt Rudolf Löffler, der Vorsitzende der Bürgerinitiative Abertamy. Mittlerweile zähle die Schau 300 Stücke – darunter besondere Bügeleisen und Werkzeuge, Handschuhe aus echtem Schlangenleder oder solche, die tschechischen und slowakischen Sportlern bei den Olympischen Spielen 1972 in Sapporo die Finger wärmten. „Mindestens weitere 300 Sachen haben wir noch im Depot“, sagt Löffler. „Wenn die Stadt mehr Geld hat, wird daraus ein ganzes Handschuhmacher-Museum werden.“

Einige der Originalmaschinen funktionieren noch immer, einmal im Monat führen die Betreiber der Ausstellung Besuchern darauf vor, wie in Abertamy einst Fingerkleider genäht wurden. Einen Einblick in die Geschichte geben außerdem historische Fotos der Fabriken und der Häuser, in denen Tausende Angestellte von zeitweise mehr als 20 Betrieben in Abertamy wohnten. „Diese Häuser werden heute im Wesentlichen nicht mehr genutzt. Manche wurden zu Pensionen umgebaut, aber ich fürchte, dass den anderen mit der Zeit der Abbruch droht“, so Löffler.

Die Tradition des Handwerks reicht in Abertamy bis ins Jahr 1848 zurück, als Adalbert Eberhard die ersten Handschuhe fertigte. Das Geschäft ging gut und schon bald arbeiteten die meisten Einheimischen in der Branche. Zu Zeiten der größten Ausdehnung Ende der dreißiger Jahre seien in der Region bis zu 11.000 Menschen mit der Herstellung von Handschuhen beschäftigt gewesen, sagt der Vorsitzende der Bürgerinitiative. Der Ort wurde wurde zum Zentrum der Handschuhindustrie, jährlich entstanden in Abertamy bis zu sechs Millionen Paar; das letzte wurde 1998 im Ort hergestellt, so Löffler.

Dass sich die Handschuhmacher in der Gegend lange so wohl fühlten, hängt seinen Worten zufolge damit zusammen, dass der Bergbau die Region prägte. „Immer wenn die Grubenförderung zurückging, schauten sich die Menschen nach einer anderen Möglichkeit um, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.“ Außerdem seien in Abertamy und Umgebung häufig Ziegen gezüchtet worden, deren Häute eines der beliebtesten Materialien für die Herstellung von Handschuhen seien. Das galt nicht nur für Abertamy. Handschuhe wurden zum Beispiel auch im knapp 50 Kilometer östlich gelegenen Kadaň (Kaaden) und im benachbarten Sachsen produziert.  

Die Ausstellung im Rathaus (Farní 2, 362 35 Abertamy) ist für Besucher in der Regel an zwei Samstagen im Monat geöffnet, das nächste Mal am 11. April und am 25. April jeweils von 13 bis 17 Uhr. Informationen unter www.abertamy.eu