Positiv altern, länger arbeiten
Regierung plant flexibles Renteneintrittsalter und will arbeitende Senioren unterstützen. Opposition stimmt zu
16. 1. 2013 - Text: Martin NejezchlebaText: mn
Der demographische Wandel ist ein gesamteuropäisches Phänomen und Tschechien bildet dabei keine Ausnahme. Heute ist jeder sechste Tscheche älter als 65, in 40 Jahren soll Statistikern zufolge jeder vierte Einwohner im Rentenalter sein. Damit liegt das Land im europäischen Durchschnitt.
Einen Weg, um mit der neuen Bevölkerungsstruktur umzugehen, deutet die tschechische Regierung in ihrem sogenannten „Plan zum positiven Altern für die Jahre 2013 bis 2017“ an. Die Tageszeitung „Hospodářské noviny“ veröffentlichte die Vision vergangene Woche in Auszügen. Die Eckdaten: flexibles Renteneintrittsalter, offene Beschäftigungsmodelle für Senioren, staatliche Unterstützung für Firmen mit Angestellten im Rentenalter. Im Gespräch sind auch günstige Anleihen für Unternehmer über fünfzig.
Handlungsbedarf gibt es allemal. Das Rentensystem der Tschechischen Republik verzeichnete in diesem Jahr ein Minus von rund 50 Milliarden Kronen (rund 2 Milliarden Euro). Neben der Einführung der sogenannten zweiten Säule der Rentenreform möchte Sozial- und Arbeitsministerin Ludmila Müllerová (TOP 09) nun Senioren und Arbeitgeber dazu motivieren, das Durchschnittsalter der Angestellten anzuheben.
Gerade bei den Unternehmern ist dabei ein Einstellungswandel nötig. Denn laut einer Studie des Statistikamtes der EU haben zwei Drittel der Tschechen eine negative Einstellung gegenüber Senioren. Das wirkt sich auch auf die Bereitschaft der Personalchefs aus, ältere Menschen einzustellen. Experten sind sich dabei einig, dass europäische Firmen nur dann konkurrenzfähig bleiben können, wenn sie ihre Personalpolitik ebenso wie ihre Produkte dem Altern der Gesellschaft anpassen. Zunächst will das Sozialministerium deshalb Unternehmensleiter von den Vorteilen der Beschäftigung von Senioren überzeugen. „Wir wollen mit gutem Beispiel vorangehen und am Ministerium selbst Erfahrungen mit Age Management sammeln, um unser Wissen dann weiterzugeben“, sagt Jan Dobeš, Stellvertreter von Sozialministerin Müllerová.
Blick nach Finnland
Letzten Endes beruhe auch die in Deutschland weit verbreitete Skepsis vor einem Anstieg des Rentenalters auf der falschen Annahme, Senioren seien krank und hätten kein Interesse, weiter zu arbeiten. Das bestätigt eine Studie von Axel Börsch-Supan, Mathematiker und Volkswirt am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in München. Knapp die Hälfte der Rentnerinnen und Rentner in der Bundesrepublik würde laut Börsch-Supan gerne länger arbeiten, 85 Prozent wünschten sich flexible Arbeitszeitmodelle.
In Finnland funktioniert das Modell, mit dem nun die Tschechen liebäugeln, bereits seit 2005. Helsinki überlässt es den Senioren, wann genau sie zwischen ihrem 63. und 68. Lebensjahr in den Ruhestand gehen. Wer bis zur Obergrenze arbeitet, erhält eine um 4,5 Prozent höhere Rente.
Obwohl das flexible Rentenkonzept noch in den Kinderschuhen steckt, scheint eine Einführung recht wahrscheinlich. Im Gegensatz zur bisher durchgesetzten Rentenreform stimmt nämlich auch die Opposition den Plänen der Regierung zu. Jan Mládek, sozialdemokratischer Schattenminister für Finanzen, nennt den flexiblen Renteneintritt ein langfristiges Ziel der ČSSD. Der „Plan zum positiven Altern für die Jahre 2013 bis 2017“ dürfte also auch nach einem Regierungswechsel nicht in einer Schublade des Ministeriums verschwinden.
„Online-Medien sind Pioniere“
Kinderwunsch nicht nur zu Weihnachten