Ein Land für geduldige Menschen
Mit dem Verein „Humanitas Afrika“ und dem ersten afrikanischen Café will Kofi Nkrumah Einwanderern in Tschechien Starthilfe geben
15. 4. 2015 - Text: Katharina Wiegmann
Kofi Nkrumah kam 1999 aus Ghana nach Tschechien. Mit dem Verein „Humanitas Afrika“ will er Brücken zwischen den Kulturen schlagen. Neben Hilfsprojekten in Afrika und Informationsarbeit an tschechischen Schulen betreibt der Verein auch das Kafé Afrika – Tschechiens erstes Lokal für Spezialitäten des Schwarzen Kontinents. Mit PZ-Redakteurin Katharina Wiegmann sprach der 50-Jährige über das Konzept seines Restaurants, den Reiz Tschechiens für Einwanderer und tschechisch-ghanaische Gemeinsamkeiten.
„Humanitas Afrika“ gibt es seit 15 Jahren. Was macht Ihre Arbeit aus?
Kofi Nkrumah: Mit unserer Organisation wollen wir in Afrika für Tschechien und in Tschechien für Afrika werben. Wir organisieren soziale und kulturelle Aktivitäten und wollen vor allem informieren. In unserem Büro befindet sich beispielsweise eine Bibliothek, das Afrika-Informationszentrum. Zu unseren Hauptzielen gehört außerdem die Zusammenarbeit mit Kindern, denn junge Menschen sind offener. Im Rahmen des Projekts „Window to Africa“ haben wir viele Schulen besucht und dort gemeinsam mit den Kindern Nachmittage gestaltet.
Wie sind Sie auf die Idee zu Kafé Afrika gekommen?
Nkrumah: An den Schulen haben wir mit den Kindern viel gekocht. Wir haben afrikanische Produkte mitgebracht und sie dann gemeinsam in der Schulküche zubereitet. Das war immer interessant für beide Seiten. Oft wurden wir gefragt, wo es unsere Speisen gibt. Die Idee, dass es schön wäre, ein afrikanisches Restaurant zu haben, kam also von den Leuten, vielleicht sogar von den Kindern. Aber wie? Wo? Wann? Und woher sollte das Startkapital kommen? Es gab viele offene Fragen, also haben wir den Plan erst einmal auf Eis gelegt. Es schien einfach ein zu großes Projekt und wir waren nicht sicher, ob wir das stemmen können.
Wie konnten Sie das Restaurant doch eröffnen?
Nkrumah: In Prag lebende Afrikaner haben uns oft angesprochen und um Rat gebeten. Beispielsweise wenn es um die Wohnungssuche ging oder bei einem Todesfall. Aber keines unserer Angebote war auf derartige Fragen ausgerichtet. So haben wir gemerkt, dass wir eine Lücke in unserem Programm haben. Es gibt zwar andere Organisationen, die sich mit solchen Themen beschäftigen, diese richten sich aber vor allem an Flüchtlinge. Und wir wollen auch den anderen Gruppen helfen. Die Frage war also, wie können wir helfen, ohne die Menschen zu zwingen, sich komplett zu verändern? Das Café schien eine gute Lösung. Glücklicherweise haben wir Gelder von der EU bekommen und konnten unsere Idee umsetzen: das erste afrikanische Restaurant in Prag und ganz Tschechien.
Inwiefern halten Sie Kafé Afrika für eine gute Lösung?
Nkrumah: Afrikaner sind sehr soziale Menschen, sie sind gastfreundlich, lachen gerne. Wir dachten, der beste Weg, ihnen zu helfen, ist die Gründung eines Sozialunternehmens, wo die Leute arbeiten, ihre Gastfreundlichkeit zeigen und ihre Lebensfreude und Wärme teilen können. Das ist eine der größten afrikanischen Stärken, selbst in den ärmsten Regionen lächeln die Menschen. Wir wollten hier lebenden Afrikanern die Möglichkeit geben, Arbeitserfahrung zu sammeln. Für manche von ihnen ist es wirklich schwierig, einen Job zu finden, selbst wenn sie Tschechisch sprechen.
Woran liegt das?
Nkrumah: Vielleicht verstehen sie nicht, wie das System funktioniert. Das ist, was wir ihnen beibringen wollen. Oft wollen sie in bestimmten Bereichen arbeiten, haben aber nicht die nötige Erfahrung. Wir können ihnen keine Computerkurse anbieten. Wir haben uns dafür entschieden, ihnen die Fähigkeiten beizubringen, die man für die Arbeit in einem Restaurant benötigt. Sie können Wissen und Erfahrung sammeln und finden dann hoffentlich auch langfristig eine Arbeit.
Die Jobs sind also zeitlich begrenzt?
Nkrumah: Sie sind auf sechs Monate befristet. Nach dieser Zeit helfen wir unseren Mitarbeitern, einen anderen Arbeitsplatz zu suchen. Oft haben sie die notwendigen Papiere, sie leben hier, sprechen die Sprache, sind sozial integriert – nicht aber ökonomisch. Wir versuchen, ihnen mit beidem zu helfen, der sozialen und ökonomischen Integration. Das ermöglicht den Leuten, ein gutes Leben zu führen. Wenn du einen Job hast, eine Wohnung, dann fühlst du dich ruhiger. Du kannst das Land, in dem du lebst, mögen und willst vielleicht einen Beitrag dazu leisten, dass es noch besser wird. Um dieses Problem, die mangelnde ökonomische Integration, hat sich vor uns niemand gekümmert, obwohl es schon lange Zeit besteht.
Warum entscheiden sich Menschen aus afrikanischen Ländern für einen Neustart in Tschechien?
Nkrumah: Wir haben alle einen Traum. Ich bin vor 16 Jahren allein von Ghana hierher gekommen. Ich hatte mich dafür entschieden, weil mich das Land aus irgendeinem Grund anzog. Vielleicht war es der Klang des Namens: „Tschechoslowakei“ – das Wort hat mich schon als Kind fasziniert. Es löste etwas in mir aus, also wollte ich diesen Ort sehen. Das klingt vielleicht absurd, es ist aber wahr. Ich hatte damals aber auch Kontakt zu Tschechen und wollte ihre Heimat kennenlernen.
Welche waren Ihre ersten Eindrücke, als Sie hier ankamen?
Nkrumah: Ich mochte die Menschen sofort. Die Leute waren noch in dieser „pohoda“-Stimmung. Ich mag dieses Wort sehr, für mich ist es ein Schlüsselbegriff in Bezug auf die tschechische Gesellschaft. „Pohoda“, das bedeutet entspannt, relaxt sein. Ich fand diese Einstellung besonders und sie hat mich an Afrika erinnert. Zwar hat sich viel geändert in den letzten Jahren, aber man findet sie noch. Es gibt hier so viele Dinge, die ich mit meinem Land vergleichen kann. Tschechen lieben Fußball, wir lieben Fußball. Die Medien sind in Tschechien sehr laut. Es wird viel geredet. Das ist das Gleiche in Ghana. Wobei viel reden nicht bedeutet, dass gut informiert wird. Die Tschechen sind gut darin, Dinge herzustellen. Es gibt viele gute Produkte, wie Škoda oder natürlich das Bier. Aber sie können all das nicht vermarkten. Das ist auch das Problem Afrikas. Wir sind nicht gut darin, Marketing für uns selbst und unsere Länder zu betreiben.
Wie haben Sie sich am Anfang verständigt?
Nkrumah: In den Jahren nach der Revolution wollten die Leute Englisch lernen. Es kam mir so vor, als würden sich viele darüber freuen, wenn sie die Möglichkeit haben, es anzuwenden. Aber glücklicherweise hatte ich auch enge Freunde, die gut Englisch sprachen. Mich hier verständlich zu machen, war für mich nie ein Problem. Das ist es bis heute nicht, obwohl mein Tschechisch leider immer noch sehr schlecht ist. Ich werde glücklich sein, wenn ich es eines Tages richtig beherrsche. Es kommt immer auf die persönliche Situation an, in der man sich befindet. Die Studenten, die nach Tschechien kommen, haben gar keine andere Möglichkeit, als die Sprache zu lernen. Ich kam weder als Student, noch als Flüchtling, für mich war es also ein bisschen anders.
Hatten Sie schon einen Arbeitsplatz, als Sie nach Tschechien kamen?
Nkrumah: Nein, aber ich begann ziemlich bald, beim Aufbau von „Humanitas Afrika“ zu helfen. Außerdem habe ich das erste Geschäft mit afrikanischen Produkten in Prag eröffnet, in der Nähe von Anděl.
Wie empfinden Sie den Umgang mit tschechischen Behörden?
Nkrumah: Jeder Migrant, egal wo auf der Welt, hat Schwierigkeiten mit der Ausländerpolizei und der Bürokratie. Ausländer in Ghana werden Ihnen bestimmt erzählen, dass die Bürokratie dort am Schlimmsten sei – das hat mir ein Kameruner einmal gesagt. Diese Institutionen scheinen überall in der Welt allein dafür zu existieren, Ausländern das Gefühl zu geben, sie seien nicht willkommen. Das ist kein tschechisches Phänomen. Die Mitarbeiter sind meistens unfreundlich, sie schauen dich an, als würden sie denken: „Warum bist du hier? Geh dahin zurück, wo du her kommst!“ Nirgendwo auf der Welt behandeln sie Migranten gut. Das ist meine Wahrnehmung. Natürlich beschweren sich Afrikaner auch hier über diese Dinge.
Wurden Sie jemals mit Rassismus konfrontiert?
Nkrumah: Sicherlich habe ich unerfreuliche Situationen erlebt, die man als rassistisch motiviert beschreiben könnte. Aber ich bin niemand, der das Verhalten Einzelner verallgemeinert. Wenn Sie mich fragen, ob Tschechien eine rassistische Gesellschaft gegenüber Afrikanern ist, dann sage ich Ihnen: Das finde ich nicht. Ich sehe keine negative Haltung der Tschechen gegenüber Afrikanern. Im Gegenteil. Es gibt Aspekte, die andere Leute vielleicht weniger sehen, die uns aber bewusst sind. Die Geschichte von afrikanischer Migration in Tschechien ist nicht sehr problematisch.
Wie meinen Sie das?
Nkrumah: Afrikaner wurden in Tschechien vor allem in den fünfziger und sechziger Jahren sichtbar, als afrikanische Frauen und Männer zum Studium ins Land kamen. Studenten haftet kein Stigma an wie zum Beispiel Flüchtlingen, also haben die Tschechen eine weitgehend positive Wahrnehmung von Afrikanern. Bis heute bilden Studenten die Basis der afrikanischen Gemeinschaft. Flüchtlinge gibt es kaum. Ich empfinde das Klima hier nicht als fremdenfeindlich. Es ist eine friedliche, ruhige Gesellschaft. Es ist sicherlich kein Land für materialistische Menschen. Wer schnelles Geld machen will, muss wahrscheinlich nach Amerika, Deutschland oder Großbritannien. Tschechien ist ein Land für Leute, die geduldig sind. Man verdient hier nicht das große Geld. Aber im Laufe der Zeit beginnt man, es hier zu mögen. Und schließlich erreicht man vielleicht seine Ziele.
Kafé Afrika
Im Juli 2013 eröffnete das lange geplante Restaurant und Café unweit des Moldau-Ufers. Mit Reggae-Musik, farbenfroher Wandbemalung und ungewohnten Gerüchen sorgt es auch an grauen Wintertagen für ein bisschen Wärme. Auf der Speisekarte stehen zum Beispiel Gerichte mit Süßkartoffeln, Couscous, Avocado – mit Fleisch oder ohne. „Afrofusion“ nennt sich das Konzept der Küche, das von den Ländern geprägt wird, aus denen die Mitarbeiter kommen. Nicht alle sprechen bereits Tschechisch, Sprachkurse sind aber Teil des sechsmonatigen Trainingsprogramms, das den Absolventen bei der Suche nach einem langfristigen Arbeitsplatz helfen soll. Kafé Afrika ist ein Sozialunternehmen – das heißt, dass alle Gewinne in das Trainingsprogramm investiert werden.
Kafé Afrika (Vojtěšská 9, Prag 1), geöffnet Mo.–Do. 11–22 Uhr, Fr.&Sa. 11–23 Uhr, sonntags geschlossen, Informationen unter www.kafeafrika.cz
„Online-Medien sind Pioniere“
Kinderwunsch nicht nur zu Weihnachten