Mehr Atomstrom
Neues Energiekonzept gebilligt: Regierung will Kernenergie stärken
20. 5. 2015 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: ChNPP
Während Deutschland mit neuen Stromtrassen den Atomausstieg umsetzen will, bewegt sich Tschechien in die entgegengesetzte Richtung. Das Land will die Atomkraft weiter ausbauen und in den kommenden Jahrzehnten zur wichtigsten Energiequelle machen. Das geht aus dem neuen Entwurf des staatlichen Energiekonzepts vor, den die Regierung am Montag in Prag verabschiedet hat. Wie Wirtschaftsminister Jan Mládek (ČSSD) nach den Verhandlungen sagte, sollen im Jahr 2040 etwa 46 bis 58 Prozent des Stroms in Atomkraftwerken erzeugt werden. Aus erneuerbaren Energiequellen würden 18 bis 25 Prozent stammen, aus Braun- und Steinkohle 11 bis 21 und aus Erdgas 5 bis 15 Prozent.
Kritik am neuen Konzept übten Umweltschützer und Solarfirmen. „Tschechien stärkt die Kernenergie, obwohl der Preis für diese Lösung steigt“, sagte etwa Martin Sedlák von der Nichtregierungsorganisation „Allianz für Energieunabhängigkeit“. Zu kurz kommt seiner Meinung nach die Möglichkeit, Energie einzusparen – etwa durch intelligente Stromnetze, Elektromobilität und neue Speichersysteme. Jan Rovenský von Greenpeace in Tschechien beklagte, dass keine Entscheidung über die Fördergrenzen für Braunkohle im Kreis Ústí nad Labem getroffen wurde: „Wenn die Minister das Gefühl haben, dass ihnen auch nach fünf Verhandlungsjahren noch nicht genug Informationen vorliegen, hätten sie die Verabschiedung des gesamten Energiekonzepts zurückstellen sollen“, so Rovenský.
Positiv äußerten sich dagegen Vertreter großer Energieunternehmen. „Es ist gut, dass wir uns auch in Zukunft nicht auf Stromimporte verlassen“, so Ladislav Kříž, Sprecher des halbstaatlichen Energiekonzerns ČEZ. Mirek Topolánek, ehemaliger Premierminister und seit 2011 Aufsichtsratsvorsitzender des Verbands tschechischer Heizkraftwerke (Teplárenské sdružení České republiky), sprach von einer „grundlegenden Richtschnur für künftige Entscheidungen und Investitionen“. Der Präsident der Wirtschaftskammer Vladimír Dlouhý lobte, das beschlossene Papier ermögliche es Unternehmen und dem Staat, gezielt zu investieren – zum Beispiel in die Modernisierung von Kraftwerken und Netzen. Auch der Vorsitzende des Tschechischen Gasverbandes (Český plynárenský svaz) Miloslav Zaur bezeichnete das Konzept als „stabilen Rahmen“, der für die Entwicklung der Branche wichtig sei.
Die Regierung verhandelte mit Unterbrechungen seit Dezember vergangenen Jahres über eine Aktualisierung des Konzepts. Zu den umstrittenen Punkten gehörte die Frage, ob die Fördergrenzen für Kohle im Kreis Ústí nad Labem aufgehoben werden sollen. Im Januar stellte das Industrieministerium dazu vier Szenarien vor; derzeit lässt es untersuchen, ob sich eine Förderung über die 1991 festgesetzten Grenzen hinaus wirtschaftlich lohnen würde. Die Ergebnisse will Mládek bis Ende August der Regierung vorlegen.
Ebenfalls noch nicht entschieden haben die Minister bisher, wie der Bau neuer Reaktorblöcke finanziert werden soll. Dieses Thema steht erst Anfang Juni auf der Tagesordnung. Finanzminister Andrej Babiš (ANO) und Regierungschef Bohuslav Sobotka (ČSSD) einigten sich allerdings am Montag darauf, dass es keine garantierten Preise für Strom aus neuen Anlagen geben werde. „Es kommt nicht in Frage, dass wir Strompreise zusichern“, sagte der Finanzminister und ergänzte, „die Entwicklung neuer Blöcke hätte schon vor langer Zeit beginnen sollen.“ Der Energiekonzern ČEZ hatte im vergangenen Jahr die Ausschreibung für die Erweiterung des Kernkraftwerks Temelín abgebrochen, weil die Regierung angekündigt hatte, sie werde keine Mindestabnahmepreise für Strom aus den neuen Blöcken garantieren. Die beiden tschechischen Atomkraftwerke in Dukovany und Temelín produzierten im vergangenen Jahr zusammen etwa 30 Terawattstunden (108 Billiarden Joule) Strom.
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