„Ich bin stolz auf das Erreichte”
Alles-Gewinner Stefan Reuter über den Reiz internationaler Begegnungen und das EM-96-Revival in Prag
20. 5. 2015 - Text: Klaus HanischText: Klaus Hanisch; Foto: čtk/dpa (Stefan Reuter mit Tomáš Rosický, 2002)
Wenn Fans über die deutschen Welt- und Europameister der neunziger Jahre sprechen, denken viele zuerst an Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann. Kenner unter ihnen erinnern sich jedoch genauso an Stefan Reuter. Der Mittelfranke spielte in allen erfolgreichen deutschen Mannschaften jener Zeit. Er wurde nicht nur Welt- und Europameister, sondern gewann auch die Champions League und den Weltpokal – das gelang nicht einmal Matthäus und Klinsmann. Derzeit macht Reuter als Manager des Bundesligisten FC Augsburg Furore. Mit Weitsicht führte er den Abstiegskandidaten auf einen Tabellenplatz, der für die Europa League berechtigt. Reuter hat auch Spieler aus Tschechien im Blick, wie er gegenüber PZ-Autor Klaus Hanisch betont.
Am 25. Mai treffen sich deutsche und tschechische Stars von damals zu einem Revival des EM-Finals von 1996 in Prag. Sie fehlen im Aufgebot. Keine Zeit, keine Lust – woran liegt’s?
Lust hätte ich schon, aber das Treffen ist zwei Tage nach unserem letzten Saisonspiel in Mönchengladbach. Wir werden uns in dieser Zeit in Augsburg zusammensetzen, um die Saison zu analysieren. Daher kann ich nicht nach Prag kommen.
Wurmt es Sie heute noch, dass Sie dieses Finale wegen einer Gelb-Sperre nicht spielen konnten?
Nein, das wurmt mich heute nicht mehr. Das ist verdaut. Klar wäre ich gerne im Finale dabei gewesen, aber für mich persönlich war das Halbfinale gegen England wie ein vorgezogenes Finale.
Sie standen in allen Endspielen deutscher Teams in den neunziger Jahren auf dem Feld – bis auf dieses EM-Finale 1996. Fühlt man sich trotzdem als Europameister oder fehlt in so einem Fall das letzte Stück zum Glück, wenn man den Abpfiff nicht selbst auf dem Rasen erlebt?
In den Partien zuvor war ich ja im Einsatz, wie gesagt auch im Halbfinale gegen England, das ja im Elfmeterschießen entschieden wurde. Jeder, der seinen Teil zum Erfolg beigetragen hat, darf sich als Europameister fühlen.
Die Tschechen liegen Ihnen anscheinend nicht. Sie fehlten auch beim Viertelfinale gegen die damalige ČSFR auf dem Weg zum WM-Titel 1990 in Italien – obwohl Sie dort alle Partien bis auf diese bestritten. Gibt es wenigstens eine positive Erinnerung an Begegnungen mit tschechischen Mannschaften, vielleicht das 2:0 im Gruppenspiel gegen die Tschechen bei der EM 1996?
Ich verbinde nichts Negatives mit den Duellen gegen tschechische Mannschaften, nur weil ich in zwei Spielen nicht dabei war. Gerade Duelle auf internationaler Ebene, sei es im Europapokal oder bei Länderspielen, hatten für mich immer einen besonderen Reiz, weil es keine alltäglichen Spiele waren. Super Erfahrungen habe ich bei Borussia Dortmund mit meinen tschechischen Mitspielern Tomáš Rosický und Jan Koller gemacht.
Was war so besonders an den beiden?
Es sind einfach super Typen. Wir sind zusammen 2002 Deutscher Meister geworden und es war eine überragende gemeinsame Zeit in Dortmund.
Sie spielten auch mehrfach gegen tschechische Vereinsteams, etwa beim 4:0-Sieg im Viertelfinale gegen Liberec auf dem Weg ins Uefa-Cup-Finale 2002 oder als Champions-League-Sieger im Herbst 1997 bei den beiden Siegen gegen Sparta Prag. Angesichts all dieser Erfolge: Waren tschechische Teams vor allem „dankbare“ Gegner für Sie – oder doch auch unbequeme?
Ich möchte überhaupt keine Wertung vornehmen, nur weil wir die genannten Spiele für uns entscheiden konnten. Ich freue mich einfach, dass ich einige solcher internationalen Duelle bestreiten konnte in meiner Karriere.
Nach Ihrer aktiven Karriere blieben Sie nicht als „Lautsprecher“ im Gedächtnis, sondern eher als stiller Spieler. Wie schwer fiel Ihnen die Umstellung auf den Job als Manager?
Man muss kein Lautsprecher sein, um seine Meinung kundzutun. Ich habe mich als Spieler und später auch als Manager nicht verstellt, sondern aus voller Überzeugung gehandelt. Wichtig für mich ist, dass man respektvoll miteinander umgeht. Schon als Spieler hatte ich bei Borussia Dortmund die Möglichkeit, viele Einblicke in das Management zu bekommen. Das hat mir den Einstieg erleichtert. Ich habe als Spieler daher viele Entscheidungen des Vereins besser einordnen können.
Mit Augsburg schreiben Sie gerade ein Fußball-Märchen in der Bundesliga. Im Kader steht auch Jan Morávek – wenn er nicht durch Verletzungen wie in den letzten Monaten ausfällt. Er ist nach seinem Kreuzbandriss noch immer im Aufbautraining. Wann rechnen Sie wieder mit ihm?
Jan Morávek hatte wirklich sehr viel Verletzungs-pech in den letzten Jahren. Wir wünschen ihm, dass er die Sommerpause nutzen kann, um wieder 100 Prozent fit zu werden, damit er uns in der kommenden Saison wieder zur Verfügung steht. Es ist ihm zu gönnen, dass er wieder einmal eine verletzungsfreie Saison spielen kann.
Morávek galt 2008 als größtes Talent im tschechischen Fußball und wurde schon als „neuer Rosický“ gefeiert. Doch in drei Jahren bestritt er nur 40 Spiele für den FC Augsburg. Halten Sie trotzdem an seinem Vertrag bis 2017 fest?
Trotz seiner Verletzungspausen sind wir von seinen fußballerischen Qualitäten absolut überzeugt. Klar ist, dass ihm nach dieser langen Zeit der Rhythmus fehlen wird, aber wir werden ihn in Ruhe die Möglichkeit geben, sich wieder an die Mannschaft heranzukämpfen.
Auch Milan Petržela hatte drei Jahre Vertrag in Augsburg, wurde von Ihnen aber schon nach einem Jahr wieder nach Hause geschickt. Warum konnte Petržela bei Augsburg nicht Fuß fassen, obwohl er als EM- und Champions-League-Teilnehmer aus Pilsen kam?
Das sind Dinge, die wir grundsätzlich nicht in der Öffentlichkeit diskutieren. Es ist schade, dass Milan Petržela in Augsburg seine Qualitäten nicht umsetzen konnte.
Augsburg liegt nicht weit von der tschechischen Grenze entfernt. Beschäftigen Sie dort eigene Scouts oder verlassen Sie sich auf Spielerberater?
Wir haben ein gutes Netzwerk, durch das wir den Markt ständig beobachten. Selbstverständlich ist da auch Tschechien abgedeckt.
Als Spieler gewannen Sie alle wichtigen Titel. Ärgert es Sie dennoch, dass den meisten Leuten bei der Frage nach den deutschen Welt- und Europameistern der neunziger Jahre vor allem Matthäus oder Klinsmann einfallen und nicht Sie – obwohl Sie im Gegensatz zu den beiden sogar Champions-League-Sieger wurden?
Ist das so? Ich kann mich nicht über eine zu geringe Wertschätzung meiner sportlichen Erfolge beklagen. Im Gegenteil: Ich bin stolz auf das Erreichte.
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