„Tschechien fühlt sich gar nicht wie Ausland an“
Interview

„Tschechien fühlt sich gar nicht wie Ausland an“

Die deutsche Band „Beatsteaks“ rockt am Donnerstagabend die Lucerna Music Bar. Ein Gespräch mit Gitarrist und Gründungsmitglied Peter Baumann

22. 5. 2015 - Text: Sophie Kohoutek, Foto: Beatsteaks/Landmann-Dohm GbR

Ihre Karriere begann in den neunziger Jahren als Vorband der „Sex Pistols“, „Die Ärzte“ feierten sie in ihrem Song „Unrockbar“ und „Die Toten Hosen“ coverten ein Lied von ihnen. 20 Jahre nach der Gründung der Band „Beatsteaks“ sind die fünf Berliner Peter Baumann, Arnim Teutoburg-Weiß, Bernd Kurtzke, Torsten Scholz und Thomas Götz längst nicht mehr abhängig von Werbung berühmter Kollegen. Mit Platten wie „Limbo Messiah“ oder „Boombox“ eroberten sie die Albumcharts in Deutschland, Österreich und der Schweiz und gehören mittlerweile zu den bedeutendsten Rock-Acts im deutschsprachigen Raum. PZ-Mitarbeiterin Sophie Kohoutek sprach mit Gründungsmitglied Baumann über Urlaub im sozialistischen Prag, Vorteile der Popularität und den emotionalen Stress vor einem Live-Auftritt.

Ihr seid zum wiederholten Mal zu Gast in Prag. Was habt Ihr für eine Verbindung zur Stadt und ihrem Publikum?

Peter Baumann: Es ist schon unser drittes oder viertes Konzert hier. Prag war immer eine tolle Stadt für unsere Gigs. Unter das Publikum mischen sich natürlich ein paar deutsche Fans, und doch kommen viele Leute, die uns noch nicht kennen. Wir sind alle Kinder der DDR, außer unserem Schlagzeuger Thomas. Die Tschechoslowakei war einer der wenigen Staaten, in die wir damals reisen durften und ein „Ausland“, das sich überhaupt nicht als solches anfühlte. Ich war schon mit sechs oder sieben Jahren das erste Mal in Prag.

Du bist in Ost-Berlin aufgewachsen. Wie war das Leben als jugendlicher Punk im sozialistischen Regime?

Baumann: Das System war nicht auf Individualisten ausgelegt. Man wurde oftmals von der Polizei angehalten, bloß weil man bunte Haare hatte. Auch in der Schule gab es Probleme. Am Wochenende ging ich in illegale Punk-Klubs, das war immer auch ein bisschen gefährlich. Ein solches Verhalten war nicht erwünscht. Das wurde auch deutlich gemacht.

Euer erstes großes Konzert war ein Auftritt als Vorband der „Sex Pistols“. Mit Anarcho-Punk würde ich Eure Musik heute allerdings nicht mehr verbinden. Wie würdest Du selbst Euren Stil beschreiben?

Baumann: Das ist gar nicht so einfach. Wir sind eine gitarrenlastige Band, aber probieren trotzdem immer wieder Neues aus. Man könnte es als Pop-Punkrock bezeichnen. Wir alle hören unterschiedliche Musik. Das spiegelt sich auch im eigenen Sound wider. Große Gedanken machen wir uns darüber aber nicht. Eine klare Einordnung fällt wirklich schwer.

Ihr seid berühmt für Eure mitreißenden Live-Auftritte. Was macht ein Beatsteaks-Konzert so besonders?

Baumann: Wir wollen quer durch unser Repertoire alles spielen, was uns gerade Spaß macht. Und dann hoffen wir, dass es den Leuten auch gefällt. Ich weiß nicht genau, warum man uns so gerne auf der Bühne sieht. Vielleicht merken die Menschen, dass wir nicht nur durch die Lande ziehen, um Geld einzusammeln. Unser aktueller Gig ist immer der wichtigste. Wir sind stets mit Lust bei der Sache und ich glaube, das überträgt sich auf das Publikum.

Du bist als Gründungsmitglied von Anfang an dabei. Was hat sich in den vergangenen 20 Jahren verändert?

Baumann:Wahrscheinlich kann man das von außen besser beurteilen. Wir spielen heute auf den großen Bühnen, aber für uns persönlich hat sich eigentlich gar nicht so viel verändert. Manche von uns haben Kinder. Dadurch gestaltet sich der Alltag anders, die Prioritäten verschieben sich. Wir sind aber alle ziemlich glücklich, dass wir professionell Musik machen dürfen. Wir mögen uns immer noch.

Nach so einer langen Zeit, worin besteht die Motivation, weiterzumachen?

Baumann: Die Hektik vor dem Konzertabend und die ganze Vorbereitung gehen schon an die Substanz. Jedes Mal denke ich mir: Warum mache ich das überhaupt? Wieso muss ich mich immer noch so einem emotionalen Stress aussetzen? Ich würde jetzt auch lieber unten im Publikum stehen. Aber in dem Moment, in dem man auf der Bühne steht und zwei, drei Lieder gespielt hat, weiß man wieder, warum man das macht. Es ist ein tolles Gefühl, wenn wir Musik vor Publikum spielen, die wir selber gut finden.

Ihr engagiert Euch unter anderem für die Kampagne „iChance“, die das Lesen- und Schreibenlernen fördert. Auch bei der Aktion „Dresden Nazifrei“ wart Ihr beteiligt. Seht Ihr Euch als politische Band?

Baumann: Früher dachten wir immer, wir seien unpolitisch und machten Musik, um von den Problemen der Welt abzulenken. Inzwischen würde ich sagen: Wir sind zwar keine Polit-Rockband, aber wir sind politische Menschen. Wir leben in einer sehr privilegierten Gesellschaft. Und wir versuchen die Leute mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, zum Denken anzuregen. Unsere Popularität hilft, wenn wir wirksam sagen möchten: Nazis sind blöd.

Ein Song auf Eurer neuen Platte trägt den Titel „I never was“. Was warst Du nie, was hättest Du mal gerne sein wollen?

Baumann: Ich wäre gerne Profifußballer geworden, oder Rennfahrer. Beides hat leider nicht geklappt, aber das würde ich dann im nächsten Leben nochmal versuchen.

Habt Ihr nach zwei Jahrzehnten im Musikgeschäft immer noch Freude an Eurem Beruf oder denkt Ihr auch mal darüber nach, Schluss zu machen?

Baumann: Wenn es keinen Spaß mehr macht, wird irgendwann Schluss sein. Wir versuchen nach wie vor, Musik zu machen, die uns selber umhaut. Das wird mit den Jahren immer schwerer, aber trotzdem passiert es noch. Und deshalb machen wir weiter!