Blick in die Presse

Blick in die Presse

Tschechische Pressekommentare zum russischen Dokumentarfilm über den Prager Frühling, zum G-7-Gipfel und zum FIFA-Skandal

10. 6. 2015 - Text: Josef FüllenbachTextauswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach

Brüderlicher Beistand | Das russische Staatsfernsehen hat jüngst in einem „Dokumentarfilm“ über den Warschauer Pakt die Besetzung der Tschechoslowakei von 1968 als „freundschaftliche Hilfe“ gerechtfertigt. Dazu merkt die Wochenzeitung „Respekt“ an, „für die hiesigen Politiker ist nur eine Frage relevant: Warum versucht das russische Staatsfernsehen, unter der Aufsicht des Kremls, gerade jetzt seine Zuschauer davon zu überzeugen, dass die offensichtliche Okkupation eine freundschaftliche Hilfe vor dem Bösen aus dem Westen gewesen sei? Ganz gewiss geht es nicht um einen Mangel an Information, wie Präsident Zeman die Angelegenheit erklärte. Es geht um ein anschauliches Beispiel der niedrigeren Sensibilitätsschwelle dafür, was als Aggression gegen ein souveränes Land gilt und was nicht. Kurz: Falls man in Moskau die Okkupation auf einmal wieder als ‚brüderlichen Beistand‘ ausgibt, werden uns die Russen nicht erneut beistehen wollen? Genau diese Frage sollte zum Angelpunkt der tschechischen Debatten über eine tiefere Integration des Landes in die EU einschließlich der Frage nach der Übernahme des Euro werden, ebenso wie es in Estland und Lettland geschehen ist.“

Keine Hoffnungen | Für die Prager „Hospodářské noviny“ hat der G-7-Gipfel die westliche Ohnmacht gegenüber russischem Landraub nur bestätigt: „Im Hinblick darauf, dass alle Erklärungen des russischen Präsidenten im Grunde eine klare Verneinung der westlichen Standpunkte darstellen, scheint es in absehbarer Zeit keine Hoffnung zu geben, dass es zu irgendeinem grundsätzlichen Durchbruch oder zu einer rationalen Lösung kommt. Das bestätigen auch die vorläufigen Schlussfolgerungen des am Montag in Bayern beendeten G-7-Gipfels, die im Zusammenhang mit der Ukraine konstatieren, dass jedwede Reduzierung (also keineswegs Aufhebung) der Sanktionen gegen Russland allein davon abhängt, wie Moskau und Kiew die Waffenstillstandsvereinbarung vom Februar erfüllen beziehungsweise verletzen werden.“

Raffgierige Zwerge | Das Wochenblatt „Echo“ glaubt nicht, dass sich das Hauptproblem der FIFA durch die Bestrafung der an dem Korruptionssumpf Schuldigen lösen lässt, weil es nämlich „in der Gleichgewichtigkeit aller Mitgliedstaaten wurzelt. Kann man daran etwas ändern? Eher nicht, denn jeglicher Senkung ihrer Stimmengewichte müssten die betroffenen Staaten selbst zustimmen. Und die empörten Europäer dürfen nicht laut schreien, weil ihnen sonst die Zwerge die Anzahl der Teilnehmerplätze bei den Weltmeisterschaften kürzen könnten. Vielleicht bewegt sich jedoch die Fußballwelt tatsächlich nun in die richtige Richtung. Hoffen wir darauf. Sollte die künftige Entwicklung uns der Naivität überführen, dann bleibt wohl nichts als uns auf den amerikanischen Gendarmen zu verlassen. In den USA, wo der Fußball nicht zu den beliebtesten Sportarten zählt und er somit kein so heißes Politikum ist wie anderswo, gibt es keinen Grund, die durchtriebenen Fußballfunktionäre mit Samthandschuhen anzufassen. Dessen werden sich vielleicht auch die raffgierigen Zwerge bewusst sein.“