Einzigartiges Versuchslabor
Im Museum Montanelli können Besucher die Geschichte des Films erleben
10. 6. 2015 - Text: Sophie KohoutekText: Sophie Kohoutek; MuMo/NaFilM
Eine Handvoll Studenten des Filmwissenschaftlichen Instituts der Karls-Universität hat ein großes Anliegen: Tschechien braucht ein Filmmuseum. Mit der Ausstellung „NaFilM!“ liefern sie ihren Vorschlag, wie so etwas aussehen könnte. Geschaffen wurde eine interaktive Landschaft, die den Besuchern das Medium näherbringt. „Wir denken, es ist wichtig, dass Filme nicht nur angesehen, sondern auch ihre gesellschaftlichen und technischen Hintergründe verstanden werden“, so die Initiatorinnen des Projekts Adéla Mrázová und Terezie Křižkovská. Wie das Verständnis gefördert werden kann, beweisen die angehenden Filmwissenschaftler anhand ihrer bemerkenswert spannenden und unkonventionellen Schau im Museum Montanelli.
Bevor man zum interaktiven Teil der Ausstellung gelangt, werden tschechische Filmemacher vorgestellt, die während des Sozialismus aus politischen Gründen ins Exil gegangen sind. Die meisten von ihnen haben sich nach der Niederschlagung des Prager Frühlings dazu entschlossen, ihre Karriere außerhalb der ČSSR fortzusetzen. Zu ihnen gehörte Vojtěch Jasný, der vor seiner Flucht den Auftrag bekam, für die Weltausstellung 1970 in Japan einen Dokumentarfilm über das tschechoslowakische Volk zu drehen. Voller Melancholie und Enttäuschung nach den Vorkommnissen im August 1968 schuf der Regisseur eine 17-minütige Liebeserklärung an sein Heimatland. Es war sein Abschiedsgruß, bevor er der Tschechoslowakei den Rücken zukehrte. „Česká rapsodie“ stellt zweifellos den Höhepunkt dieses ersten Ausstellungsblocks dar.
Im Raum nebenan befinden sich kleine, in Holztüren eingearbeitete Schaukästen. Darin verbergen sich biografische Daten, Tonaufnahmen, persönliche Notizbücher oder Aktenmaterial des Staatssicherheitsdienstes StB, die eingehend vom Leben und Wirken sowie von der Beschattung der bekanntesten Filmemacher jener Epoche erzählen. Neben Jasný sind das Miloš Forman und Pavel Juráček.
Ein Stockwerk höher taucht der Besucher in die Arbeitswelt des Filmemachens ein und darf sich dabei als Tontechniker versuchen. Vor einer großen Leinwand mit laufenden Bildern stehen zahlreiche Geräte, mit denen das Geschehen mit Ton untermalt werden kann. Imitiert werden unter anderem das Einfahren eines Zuges oder das Geräusch von Pferdehufen. So darf jeder Besucher selbst eine Geräuschkulisse erschaffen, die zur jeweiligen Szene passt.
Weiter erzählt ein dokumentarischer Beitrag die Entwicklung vom Stumm- zum Tonfilm und die daraus entstandene Kamera-technik. Eine kleine Wendeltreppe führt zum Themenblock „Avantgarde“. Hier berichten vorwiegend Zeitzeugen aus dem frühen 20. Jahrhundert, wie die revolutionären technischen Errungenschaften des Films ihr Leben bereicherten und veränderten. Leider sind diese Tonaufnahmen nur auf Tschechisch abrufbar.
„NaFilM!“ ist eine Schau mit viel Liebe zum Detail, die den Besucher auf spielerische Art und Weise in die technische Entwicklung des Films blicken lässt und darüber hinaus die Geschichte des Mediums in der Tschechoslowakei abhandelt. Die Ausstellung präsentiert nicht einfach nur wertvolle Exponate hinter Glas, sondern macht die Kunstform Film auch für den Laien auf ganz neue Art erlebbar. Es ist deshalb zu hoffen, dass das Konzept der engagierten Studenten irgendwann tatsächlich in ein nationales Filmmuseum mündet und nicht nur ein Versuchslabor für eine zeitlich begrenzte Schau bleibt.
NaFilM! Museum Montanelli (Nerudova 13, Prag 1), geöffnet: täglich außer montags 12–19 Uhr, Eintritt: 80 CZK (ermäßigt 40 CZK), bis 25. Oktober, www.museummontanelli.com
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