Von der Straße ins Museum
Die Villa Pellé stellt Werke des Graffiti-Künstlers Jan Kaláb aus. Im Interview spricht er über verunstaltete Fassaden und seine Vorliebe für die Form des Kreises
9. 7. 2015 - Text: Sophie KohoutekInterview: Sophie Kohoutek; Foto: Jan Kaláb/Tomáš Třeštík
Ob Graffiti Kunst oder Schmiererei ist, daran scheiden sich die Geister. Der Prager Jan Kaláb jedenfalls hat mit seinen gesprühten Bildern den Sprung von der Straße in die Galerie geschafft. Als sich das Graffiti nach der Wende auch in Osteuropa verbreitete, machte sich der heute 27-Jährige unter dem Pseudonym „Cakes“ einen Namen. Der Durchbruch als Graffiti-Künstler gelang ihm, als er vor knapp 15 Jahren Autos in New York besprühte. Etwa zur selben Zeit entdeckte er unter seinem anderen Pseudonym „Pionts“ das 3D-Graffiti als künstlerische Ausdrucksform. Ende Juni eröffnete er seine bereits neunte Einzelausstellung unter dem Namen „Extra“ in der Prager Villa Pellé. Die dort gezeigten Werke sind geometrische Experimente rund um die Form des Kreises. In knalligen Farben präsentiert der Graffiti-Künstler seine Liebe zum Rund und erzielt verblüffende Effekte. Mit seiner minimalistischen Herangehensweise bewegt er sich von der Malerei hin zum Design. Mit PZ-Mitarbeiterin Sophie Kohoutek sprach Kaláb über seine künstlerische Entwicklung, seine Vorbilder und die Frage, welche Rolle das Universum für seine Kunst spielt.
Sie haben als Writer angefangen und nachts Züge besprüht. Inwiefern ist das ein Widerspruch zu Ihrer heutigen Arbeit?
Jan Kaláb: Als den Anfang meiner Karriere als Graffiti-Künstler verstehe ich den Moment, in dem ich mein erstes sogenanntes Piece gesprüht habe. Das war 1993. Mit dem Malen hatte ich allerdings schon als Kind begonnen. Seit meinem ersten Graffiti habe ich meinen Stil entwickelt, bis hin zu der Kunst, die man heute in meiner Ausstellung sehen kann. Klassisches Graffiti mache ich noch hin und wieder. Das sehe ich nicht als Widerspruch.
Was denken Sie über die Kritik an den Sprayern, sie würden mit ihren Bildern Fassaden verunstalten?
Kaláb: Die gegenwärtigen Strafen halte ich zwar für berechtigt, allerdings würde ich nicht allzu sehr dramatisieren. Meiner Meinung nach ist es schlimmer, eine Kirche abzureißen, damit eine Autobahn gebaut werden kann, als eine zu Wand besprühen.
Wurden Sie selbst schon erwischt beim Sprühen?
Kaláb: Ja, mehrfach.
Sie haben mit 3D-Graffiti experimentiert. Was ist das?
Kaláb: Ein 3D-Graffiti ist ein Graffiti, das in eine Skulptur überführt wird. Das bedeutet, ein Piece, das normalerweise an einer Wand zu sehen ist, wird zum greifbaren Objekt und kann von allen Seiten betrachtet werden. Mit dieser Technik habe ich mich vor allem früher beschäftigt.
Sie malen derzeit hauptsächlich Punkte und Kreise. Was hat es damit auf sich?
Kaláb: Nach langem künstlerischen Schaffen habe ich mich für diese geometrische Form entschieden. Ich wollte alle Möglichkeiten, die ein Kreis aufgrund seiner Form mit sich bringt, erkunden. Der Kreis ist für mich ein Symbol für Abgrenzung – die Grenze zwischen dem, was sich außen befindet, und dem, was im Inneren des Kreises liegt. Die Form des Kreises finden wir überall in unserer Umgebung, sei es der auf einer Fläche entstandene Kreis nach einem Regentropfen, eine menschliche Zelle oder die Planeten. Es ist eine archetypische Form. Ich finde den Kreis weitaus universeller als zum Beispiel ein Viereck.
Sie sind ein Bewunderer des tschechischen Neoimpressionisten František Kupka. Was schätzen Sie an seinem Werk?
Kaláb: Ich bewundere seine Arbeit, sie fasziniert mich sehr. Die Werke von Kupka drücken eine solche Modernität aus, obwohl er sie vor mehr als 100 Jahren gemalt hat. Seine abstrakten Reflexionen haben mich bereits als Schüler angesprochen, als ich seine Werke in der Nationalgalerie entdeckte. Mit Sicherheit könnte man seinen Einfluss in meinen alten Werken erkennen.
Was inspiriert Sie?
Kaláb: Das Universum und das Nachdenken darüber.
Ende Juni wurde Ihre Ausstellung in Prag eröffnet. Haben Sie für dieses Jahr noch weitere Projekte geplant?
Kaláb: Im Oktober wird es eine Ausstellung in London geben, im Winter plane ich eine weitere in Berlin.
Jan Kaláb – Extra. Villa Pellé (Pelléova 10, Prag 6), geöffnet: täglich außer montags 13 bis 18 Uhr, Eintritt: 90 CZK (ermäßigt 60 CZK), bis 6. September, www.villapelle.cz
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