Klangtheater am Flügel
Der Pianist Josef Bulva begreift Liszt nicht nur als reinen Virtuosen
29. 7. 2015 - Text: Ulrich AlbertsText: Ulrich Alberts; Foto: Josef Bulva/PR
Josef Bulva galt als Wunderkind am Klavier. Bereits im Alter von zwölf Jahren spielte er die Etüden von Liszt. Mit 21 Jahren wurde er als Staatssolist der Tschechoslowakei gefeiert. Später begeisterte er das Publikum in Konzertsälen auf der ganzen Welt. Im März 1996 endete die Karriere des gebürtigen Brünners abrupt, als er bei Glatteis auf der Straße ausrutschte. Der Pianist stürzte so unglücklich, dass die Glasscherben einer unter dem Schnee verborgenen Bierflasche eine Sehne seiner linken Hand zerschnitten. Bulva, damals 53 Jahre alt, zog sich nach Monaco zurück, wo er als Börsenmakler tätig war.
Die Ärzte sagten damals, seine Hand sei irreparabel geschädigt – nie wieder würde er sie richtig bewegen können. In der Schweiz unterzog sich Bulva dennoch zahlreichen Operationen. Mit eisernem Willen und großer Disziplin arbeitete er jahrelang an der Wiederherstellung seiner Spielfähigkeit. Und hatte schließlich Erfolg. Im Jahr 2010 feierte Bulva sein Comeback: Er kehrte zurück auf die Konzertbühnen Europas und in die Aufnahmestudios der Plattenfirmen. Der „Pianist unter den Pianisten“, wie ihn der Klavierhersteller Steinway & Sons bezeichnete, verblüffte die Zuhörer. Die „Stuttgarter Zeitung“ schrieb nach einem Konzert des Pianisten in der Stadt: „Hochvirtuoses zaubert Bulva bei seiner triumphalen Rückkehr mit verblüffender Leichtigkeit.“
Für Sony spielte Bulva unter anderem die Werke von Beethoven, Chopin und Szymanowski ein. Bei demselben Plattenlabel veröffentlichte er im April dieses Jahres ein Doppelalbum mit Stücken von Liszt. Sie wirken wie das Vermächtnis eines Pianistenlebens. „Josef Bulva plays Franz Liszt“ enthält Aufnahmen aus 50 Jahren Auseinandersetzung mit dem österreichisch-ungarischen Komponisten. So entstanden die Aufnahmen der Klavierkonzerte mit dem Radio-Sinfonieorchester Luxemburg und dem 2013 verstorbenen Dirigenten Daniel Nazareth bereits im März 1986. Bulvas Interpretation der Liszt-Sonate in h-Moll kam 1993 bei seiner früheren Plattenfirma Mediaphon in Stuttgart heraus.
Unaufgeregt brillant
Erstmals erscheinen auf diesen beiden CDs die im Booklet unter der Überschrift „Liszt als Lebenswerk“ angeführte „Rhapsodie espagnole“ und „La Campanella“ aus den „Grandes Études de Paganini“. Fast möchte sich der Hörer bei den ersten Klängen der Paganini-Etüden entspannt zurücklehnen – so effektvoll brillant, aber auch unaufgeregt spielt Bulva. Dank sparsamen Pedalgebrauch und subtiler Artikulation entstand bei diesen Wiederveröffentlichungen und Neueinspielungen nirgends der Eindruck, die Stücke seien trotz des großen Klangtheaters, das Bulva am Flügel entfacht, nur für Virtuosen gedacht. Liszts kompositorisches Raffinement macht Bulva auf ganz natürliche Weise hör- und nachvollziehbar, er sorgt mit seinem Spiel für letzte Klarheit und eine Art des musikalischen Sprechens, die den Zuhörer fesselt. Mit dem Doppelalbum geht der Pianist im Herbst auf Deutschlandtournee. Eine Rückkehr in sein Heimatland hat er für 2016 geplant, wo Bulva nach über 40 Jahren wieder in Prag und Brünn mit einem Soloprogramm auftreten möchte.
Josef Bulva plays Franz Liszt. Sony Music, München 2015, 2 CDs
Über den Pianisten
Josef Bulva wird am 9. Januar 1943 in Brünn geboren. Seine Eltern fördern früh seine musikalische Begabung. Bereits mit 13 Jahren spielt Bulva anspruchsvolle Klavierstücke wie zum Beispiel die Paganini-Variationen von Brahms. Dank eines staatlichen Stipendiums der Tschechoslowakei kann er am Konservatorium studieren, mit 17 Jahren wird er in die Akademie der Künste aufgenommen. Ein schwerer Unfall zwingt Bulva 1971 zu einer einjährigen Pause. Seine erste Auslandstournee 1972 nutzt er als Gelegenheit zur Emigration. Bulva zieht nach Luxemburg, einen Zweitwohnsitz unterhält er in München. Von nun an öffnen sich dem Pianisten internationale Konzerthäuser sowie Rundfunk- und Schallplattenstudios. (PZ)
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