Der Künstler als Prophet

Der Künstler als Prophet

Werke von Schiele, Hundertwasser und anderen Avantgardisten im Messepalast

29. 7. 2015 - Text: Sophie Kohoutek, Bild: „Der Bart ist das Gras des Kahlköpfigen“ (Detail) von Hundertwasser/Národní galerie v Praze

Vegetarische Ernährung, Leben in der Kommune und Rückkehr zur Natur – das sind Konzepte, die wohl viele mit den sechziger Jahren verbinden. Doch bereits Ende des 19. Jahrhunderts gab es charismatische Vorreiter, die der Gesellschaft alternative Lebensweisen aufzeigten und auf die Probleme der Moderne aufmerksam machten. Der Messepalast zeigt mit der Ausstellung „Künstler und Propheten. Schiele, Hundertwasser, Kupka, Beuys und andere“ zahlreiche Werke dieser Visionäre aus den Jahren 1872 bis 1972 und verweist auf ihre besondere Stellung innerhalb der modernen Kunst.

Die Schau wird mit dem monumentalen Schattenriss-Fries „Per aspera ad astra“ von Karl Wilhelm Diefenbach (1851–1913) eröffnet. Nach einem spirituellen Erlebnis veränderte der deutsche Maler und Sozial­reformer sein Leben. In Kutte und Sandalen verkündete er seine Ideen von fleischloser Ernährung, Freikörperkultur und Polygamie. Diefenbach gründete zudem die Landkommune „Himmelhof“, die von vielen Künstlern besucht wurde.

Der 68 Meter lange Fries aus dem Jahr 1892 ist Ausdruck seiner neuen Weltvorstellung; er zeigt die schwarzen Umrisse von Menschen, die in einer Parade am Betrachter vorbeiziehend nackt und tanzend ihren Einklang mit der Natur zelebrieren. Dazu läuft das gleichnamige epische Gedicht von Diefenbach vom Band. Seine an Jesus erinnernde äußerliche Erscheinung mit langem Bart und Haaren findet sich auch in seinen Bildern wieder: „Der Prophet“ von 1892 bildet einen ihm ähnlichen Mann ab, der nachdenklich in der Dunkelheit sitzt.

Die übrigen ausgestellten Künstler werden ebenso wie Diefenbach mit ihrer Biographie und einigen typischen Werken vorgestellt. Unter ihnen befindet sich auch František Kupka (1871–1957), der zeitweise als Schüler Diefenbachs in dessen Kommune wohnte. Kupkas Gemälde „Bildung“ aus dem Jahr 1908 zeigt nackte Kinder, die fröhlich auf einer Wiese spielen und Blüten und Blätter studieren. Auch der Wanderprediger Gustav Nagel (1874–1952) verehrte Diefenbach besonders und lebte nach dessen Vorbild. Zu seinem Werk zählen vor allem Selbstporträts auf Postkarten, mit denen er sich als Messias inszenierte.

Die Ausstellung, die im Frühjahr dieses Jahres bereits in Frankfurt am Main zu sehen war, präsentiert insgesamt mehr als 350 Werke. Neben heute berühmten Namen wie Friedensreich Hundertwasser, Egon Schiele und Joseph Beuys bis hin zum Siebziger-Jahre-Rebellen Jörg Immendorff sind auch weniger bekannte Künstler vertreten. Waren Gustav Gräser, Friedrich Muck-Lamberty und Ludwig Christian Haeusser zu ihren Lebzeiten noch einem breiten Publikum bekannt, sind sie inzwischen nahezu in Vergessenheit geraten. Die Schau bettet das Werk dieser Avantgarde in einen weiteren sozialhistorischen Kontext ein und stellt überraschende Verbindungen zwischen den Künstlern her.

Künstler und Propheten. Schiele, Hundertwasser, Kupka, Beuys und andere. Messepalast (Veletržní palác, Dukelských hrdinů 47, Prag 7), geöffnet: täglich außer montags 10–18 Uhr, Eintritt: 200 CZK (erm. 100 CZK), www.ngprague.cz, bis 18. Oktober