Mitteleuropäischer Fensterkampf
Tschechische und deutsche Hersteller wollen polnische Billigkonkurrenz bremsen
30. 1. 2013 - Text: Ivan DramlitschText: Ivan Dramlitsch; Foto: flickr/gravitat off
Steigende Energiepreise sind für die meisten Verbraucher ein Ärgernis und zunehmende Belastung, für die Fenster- und Türenbranche sind sie jedoch ein indirekter Wachstumsmotor. Denn wer bei den Heizkosten sparen will, braucht neue moderne Fenster. Derzeit boomt der Markt.
In Mitteleuropa profitieren vor allem die Hersteller aus Polen von der gestiegenen Nachfrage. Bei Tschechiens nördlichem Nachbar hat das holzverarbeitende Gewerbe eine lange Tradition. Bis heute ist die Möbel-, Fenster-, und Türenproduktion eine polnische Domäne. Und da die heimische Nachfrage schwächelt, drängen die Hersteller auf die Märkte der Nachbarländer Tschechien und Deutschland. In beiden Ländern hat in den vergangenen Jahren der Import vor allem von polnischen Fenstern stark zugenommen, allein in Deutschland zwischen 2008 und 2012 um fast 80 Prozent. Auch in Tschechien ist der Marktanteil kontinuierlich gestiegen, 2011 betrug er rund 30 Prozent.
Export wird subventioniert
So weit, so gut – schließlich herrscht in der EU freier Wettbewerb. Wäre da nicht eine „Kleinigkeit“, die Tschechen und Deutsche gleichermaßen verstimmt. Das polnische Wirtschaftsministerium subventioniert diese Ausfuhr, unter anderem mit EU-Geldern. Insgesamt 1,5 Millionen Euro bekamen exportierende Unternehmen mit Sitz in Polen dafür, um sich und ihre Produkte auf Messen und Konferenzen zu präsentieren. Für Jaroslava Dlouhá, Marketing-Chefin bei Tschechiens Marktführer „Window Holding“, ist das ein großes Problem: „Mit den Folgen dieser direkten Unterstützung kämpfen wir Tag für Tag. Einige tschechische Fensterproduzenten sind diesem Import-Druck gänzlich unterlegen und kaufen nun die Fenster komplett in Polen. Dadurch sind bei uns schon hunderte Arbeitsplätze verloren gegangen. Diese Subvention steht im Widerspruch mit den Freihandelsprinzipien der EU.“ Gleichzeitig ist sie vom tschechischen Staat enttäuscht. Dieser tue zu wenig, um tschechische Produkte zu bewerben.
Auf deutscher Seite geht man sogar einen Schritt weiter. Nach Auffassung des „Verbandes Fenster + Fassade“ (VFF) verstößt die Subvention der polnischen Fensterindustrie gegen Artikel 107 des EU-Vertrags, der die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Wirtschaftszweige untersagt. „Die Beihilfe ist nicht mit dem gemeinsamen Binnenmarkt vereinbar. Die deutschen Hersteller von Fenstern und Türen erleiden durch die Exportförderung einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den geförderten polnischen Unternehmen“, kritisiert VFF-Geschäftsführer Ulrich Tschorn. Der Verband hat deshalb im Herbst vergangenen Jahres eine offizielle Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingereicht und die Einleitung eines Prüfverfahrens beantragt. Derzeit wartet Brüssel auf eine Stellungnahme der polnischen Regierung. „Wir bleiben dran und lassen nicht locker“, so Tschorn.
Zweifel an Qualität
Auf polnischer Seite kann man die ganze Aufregung nicht nachvollziehen. Für Pawel Wróblewski, Chef des Verbandes „Polnische Fenster und Türen“ ist die deutsche Beschwerde nur Ausdruck dafür, dass polnische Produzenten als bedrohliche Konkurrenz wahrgenommen werden. Viel mehr ärgert Wróblewski eine andere Sache: Dass nämlich polnische Fenster, aber auch andere Produkte, in Tschechien oft als minderwertig dargestellt werden. „Damit sind wir nicht einverstanden“, beschwerte sich Wróblewski gegenüber der polnischen Zeitung „Gazeta Wyborcza“ in Reaktion auf einen Beitrag des Tschechischen Fernsehens, in dem die mangelnde Qualität polnischer Fenster angeprangert wurde.
In der Tat genießen polnische Produkte in Tschechien kein allzu großes Ansehen. Das liegt auch daran, dass es zuletzt einige Fälle gab, bei denen polnische Lebensmittel aus den Regalen genommen werden mussten, weil der Verdacht bestand, dass sie gesundheitsgefährdende Stoffe beinhalten. Dem Image polnischer Fenster und Türen seien, besonders in den ersten Jahren nach dem EU-Beitritt, die vielen sogenannten „Garagenfirmen“, die allein mit billigen Preisen warben, nicht zuträglich gewesen, schrieb die Gazeta Wyborcza. Aber das sei ein Problem der Vergangenheit. In Tschechien weist man den Vorwurf zurück, polnische Produkte würden hierzulande pauschal diskreditiert: „Davon distanzieren wir uns. Es gibt in Polen, wie überall sonst, gute und schlechte Produzenten. Es ist natürlich immer die Frage, welche Qualität man für bestimmte Preise verlangen kann“, sagt Tomáš Lukeš, Vorsitzender des Verbandes tschechischer Möbelhersteller.
Denn die polnische Konkurrenz ist vor allem im Niedrigpreissektor präsent. Auch beim tschechischen Marktführer „Windows Holding“ ist man gegen Verallgemeinerungen: „Pauschal von schlechten Produkten zu sprechen, ist nicht richtig“, so Marketing-Chefin Jaroslava Dlouhá. „Allerdings mehren sich in den vergangenen Jahren die Beschwerden über Fenster aus polnischer Produktion, Klagen gibt es auch über den nicht vorhandenen Service. Das nehmen wir deutlich wahr.“
Zertifikat für redliche Tschechen
Statistiken oder Untersuchungen darüber, wieviel Prozent der polnischen Fenster die branchenüblichen Qualitätskriterien nicht erfüllen, gibt es nicht. Michael Kafka, Verwaltungsassistent des tschechischen Fachverbandes AČVOV, würde eine solche Erhebung begrüßen. Er hält die Billigimporte für ein grundsätzliches Problem: „Viele ausländische Produzenten, einschließlich der polnischen, führen einen ausschließlich auf den Preis orientierten Konkurrenzkampf, bei dem die Qualität leidet. Das führt oft dazu, dass die Garantien nicht eingehalten werden können. Und es wirft schließlich auf die gesamte Branche ein schlechtes Licht.“
Wenn es darum geht, Besseres von Schlechterem abzugrenzen, arbeitet Kafkas Anfang 2012 gegründeter AČVOV Verband mit nationalen Attributen. Die erste Maßnahme war die Einführung des Zertifikats „Garantiert tschechisches Fenster“ („Zaručeně česká okna“ – ZČO). Damit will man sich von den vermeintlich minderwertigen Billigimporten abheben und gleichzeitig alle „ehrlichen tschechischen Fenster- und Türenproduzenten und –verkäufer unterstützen“, so Kafka. Innerhalb der Branche weckt das Zertifikat großes Interesse. Über 200 Firmen haben sich bereits erfolgreich darum beworben. Darüber hinaus hat der Verband die Aufklärung des Kunden im Auge. „Vor allem von den unzufriedenen bekommen wir immer mehr Anfragen und Bitten um Ratschläge – den Endverbraucher fortlaufend zu informieren wird in Zukunft eine unserer Hauptaufgaben sein“, sagt Kafka.
Bekenntnis zu Břeclav
Drastische Maßnahmen