Experimenteller Schulterschluss
Der „Mährische Herbst“ verbindet multimediale Moderne mit Dvořák und Rachmaninow
30. 9. 2015 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: mhf
Wer sich nicht scheut, Musik auch abseits ausgetretender Rezeptionspfade zu erleben, dürfte beim „Mährischen Herbst“ („Moravský podzim“) auf seine Kosten kommen. Denn das Festival in Brünn bietet einen ungewöhnlichen sowie künstlerisch vielseitigen Zugang zur Welt der Klassik. Unter dem Motto „Musik+“ verbinden zwischen 3. und 16. Oktober nationale wie internationale Ensembles und Solisten multimediale Perspektiven mit traditionellem Hörerlebnis. Federführend ist dabei zum zweiten Mal nach 2013 die Brünner Philharmonie.
„Das Programm des Festivals richtet sich an all jene Musikliebhaber, die offen sind für selten gespielte Werke in Kombination mit anderen Kunstrichtungen“, erläutert Marie Kučerová, Direktorin der Philharmonie, den Ansatz des diesjährigen Festivals. Und Programmchef Vitězslav Mikeš nennt den anstehenden „Mährischen Herbst“ „multimedial, und zwar im weitesten Sinne des Wortes“.
Ein besonderer Abend erwartet die Besucher am Dienstag, 6. Oktober im Bürgerhaus (Besední dům), wenn das Prager Berg-Orchester und Cellistin Konstanze von Gutzeit „Der Tod und das Mädchen“ von Franz Schubert sowie „Up-close“ des Niederländers Michel van der Aa interpretieren. Untermalt wird die Darbietung mit Videoinstallationen von und mit Schauspielerin Vakil Eelman.
Ebenfalls beste interdisziplinäre Unterhaltung bietet Justė Janulytės Konzertinstallation „Sandglasses“ für vier Celli. Die erst 33-jährige Litauerin arbeitete für die tschechische Premiere ihres Stücks mit den italienischen Videokünstlern Michele Tadini und Antonello Raggi zusammen. Außerdem sorgen ihre Landsleute vom „Gaida Ensemble“ für Klangteppiche aus der Welt der elektronischen Musik (14. Oktober, Solo Centrum).
Stummfilm mit Musik
Gastkomponist und „Artist in residence“ Erkki-Sven Tüür repräsentiert derweil die zeitgenössische Klassik-Szene. Der 55-jährige Este kombiniert traditionelle Elemente mit Polyrhythmik, Atonalität und rockigen Klängen. Am 15. Oktober wird Tüür im Bürgerhaus an der Seite des tschechischen „OK Percussion Duo“ seiner Leidenschaft für Schlaginstrumente frönen. Sein „Conversio II“ schrieb er im Auftrag des Festivals und feiert in der mährischen Metropole seine Weltpremiere. Einen spannenden musikwissenschaftlichen Exkurs bietet die Projektion von Tüürs Oper „Wallenberg“ im Universitätskino „Scala“, wo sich der Komponist im Rahmen eines Diskussionsforums den Fragen des Publikums stellen wird (12. Oktober).
An gleicher Stelle läuft rund eine Woche zuvor (4. Oktober) der Stummfilm „Batalion“ aus dem Jahr 1927. Dazu stellt der in Frankreich lebende tschechische Komponist Kryštof Mařatka seine eigens dafür komponierten Stücke vor.
Trotz aller Experimentierfreude kommen beim 48. „Mährischen Herbst“ auch beliebte Klassiker nicht zu kurz. Das Eröffnungskonzert am 3. Oktober im Janáček-Theater bestreitet die Tschechische Philharmonie, die mit Jiří Bělohlávek am Dirigentenpult Josef Suks „Märchen-Suite“, Leoš Janáčeks „Wanderung einer Seele“ sowie Antonín Dvořáks „Slawische Tänze“ spielen. Eine Woche später interpretiert die Philharmonie Rotterdam unter anderem Nikolai Rimski-Korsakows „Mainacht“ sowie Sergei Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 3.
Den Abschluss bildet am 16. Oktober die Brünner Philharmonie, die neben Werken von Igor Strawinski und Claude Debussy auch Erkki Sven Tüürs vierte Sinfonie „Magma“ darbietet. Das Orchester vollzieht damit den symbolischen Schulterschluss zwischen Tradition und Moderne.
Mährischer Herbst, 3. bis 16. Oktober, mehr Informationen zum Programm und Ticketverkauf unter
www.mhf-brno.cz/moravsky-podzim
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