Spuren in Stein

Spuren in Stein

Der Ostböhme Karel Pařík prägte die Architektur auf dem Balkan

6. 2. 2013 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: Tschechisches Zentrum Prag

„Europäisches Jerusalem“ wird sie genannt, oder auch das „Jerusalem des Balkans“. Die Rede ist von Sarajevo, der Hauptstadt Bosnien und Herzegowinas. Hier reihen sich Moscheen, römisch-katholische und serbisch-orthodoxe Kirchen an Synagogen und Habsburger Prachtbauten. Nach jahrhundertelanger Besetzung durch die Osmanen hinterließen die österreichischen Machthaber im 19. Jahrhundert ihre Spuren in der Stadt. Besonderen Anteil an deren Gestaltung hatte Karel Pařík (1857–1942). Wer heute durch die Straßen der Balkanmetropole schlendert, wird seinem Schaffen zwangsläufig in Gestalt des einen oder anderen Bauwerks begegnen: Der tschechische Architekt konzipierte insgesamt 70 Gebäude in Sarajevo – vom Nationaltheater und -museum über die Aschkenasische Synagoge und Serbisch-Orthodoxe Schule bis hin zur Akademie der Bildenden Künste oder der Islamischen Rechtsschule.

Auf Erfolgskurs
1857 in der Nähe von Jičín geboren, kam Karel Pařík im Alter von 26 Jahren nach Sarajevo. Wie viele Handwerker, Ingenieure, Mediziner und Anwälte folgte er einem Aufruf der Habsburger, sich in der Stadt niederzulassen. Seit den Beschlüssen des Berliner Kongresses von 1878 gehörte Sarajevo zum Herrschaftsbereich Österreich-Ungarns. In ihrem Bestreben, die Stadt zu einem Aushängeschild ihrer Nationalität umzugestalten, versuchte die Doppelmonarchie möglichst viele qualifizierte Landsmänner anzuheuern. Neben dem Ausbau der Infrastruktur wurden zahlreiche Repräsentativbauten errichtet.

Vermutlich auf Einladung seines Studienkollegen Josip Vancaš siedelte Pařík im Frühjahr 1884 nach Sarajevo über. Zuvor hatte er in Wien bei Theophil von Hansen – dem geistigen Vater des Wiener Stils, einer Spielart der Neorenaissance – Architektur studiert. Nun sollte er gemeinsam mit Vancaš die katholische Kathedrale sowie das Hauptgebäude der Landesregierung Bosnien-Herzegowinas gestalten. Eines der ersten eigenen Bauprojekte Paříks war die Umsetzung der Islamischen Rechtsschule. Der Architekt entwarf das Gebäude, das heute die Fakultät der Islamwissenschaften beherbergt, mit zahlreichen Versatzstücken des Orientalismus.

Als Experte in Sachen historistische Architektur und Monumentalbauten gelang es Pařík recht schnell, Karriere zu machen. Bereits 1886 wurde er zum Vorsitzenden der lokalen Baubehörde ernannt. Es folgten eine Auszeichnung zur Jahrtausend-Ausstellung in Budapest 1896 sowie der Kaiserlich-Österreichische-Franz-Joseph Orden im Jahr 1899.

Meister der Konvention
Neben dem Nationalmuseum gilt heute die sogenannte „Vijećnica“, die Nationalbibliothek von Bosnien und Herzegowina, als das Meisterwerk Paříks. Obwohl Pařík letztlich nicht ausführender Architekt des Baus war, stammen die ursprünglichen Entwürfe aus seiner Feder. Der Austro-Ungar Alexander Wittek beendete das Konzept in modifizierter Form, nachdem sich der Stadtgouverneur Sarajevos kritisch gegenüber Paříks Konzept geäußert hatte, und ließ es zwischen 1892 und 1894 als Rathaus umsetzen. Der monumentale Bau stellt eines der bedeutendsten Beispiele des pseudo-maurischen Stils dar, einer Variante des Historismus mit osmanisch-orientalischen Elementen. Nach dem Zweiten Weltkrieg fungierte das Gebäude als National- und Universitätsbibliothek, bis es im Bosnienkrieg 1992 schwer beschädigt wurde. Derzeit befindet sich die Vijećnica im Wiederaufbau. Als Kompensation für den Auftragsentzug erhielt Pařík damals die Aufgabe, ein Stadtgefängnis zu konzipieren. In unmittelbarer Nähe des Rathauses entstand es als festungsähnlicher Bau mit architektonischen Anleihen der italienischen Renaissance.

Neben zahlreichen Repräsentativbauten in Sarajevo war Pařík auch in der Provinz tätig: Insgesamt schuf er in Bosnien und Herzegowina 150 Bauwerke. Auf Studienreisen in den Orient, aber auch nach Budapest, Liberec, Magdeburg und München, machte sich der Architekt direkt am Bau mit den Prinzipien der Türkisch-Osmanischen Architektur respektive dem späten Historismus vertraut. Mit dem um die Jahrhundertwende aufkommenden Jugendstil konnte er nicht allzu viel anfangen. Die neue Formsprache war ihm zu verspielt und zu locker. Den Grundsätzen des Historismus treu, zeigen sich Paříks Fassaden statisch und symmetrisch, ganz im Sinne des akademischen Geschmacks.

Unbekanntes Leben
Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs kam der Bauboom der Habsburger zum Erliegen. Demzufolge fand auch Paříks Arbeit als Architekt im Dienste der Monarchie ein Ende; 1916 setzte er sich im Alter von 59 Jahren offiziell zur Ruhe. Dennoch verfolgte Pařík weiterhin seine Lehrtätigkeit an der Technischen Schule und prägte als Bauleiter sowie Planer zahlreicher Sakralbauten nach wie vor das Stadtbild. In den Jahren zwischen 1921 und 1939 entstanden unter seiner zeichnerischen Hand 20 Kirchen, zwei Klöster, neun Pfarrhäuser und neun weitere sakrale Erweiterungsbauten – damit war Pařík zwischen den beiden Weltkriegen der bedeutendste Architekt katholischer Sakralbauten in Bosnien und Herzegowina.

Aus dem Privatleben des Baumeisters ist wenig bekannt. Zweimal war er verheiratet; den beiden Ehen entstammen drei Söhne und eine Tochter. Marian, der jüngste Sohn, trat in die Fußstapfen des Vaters, gemeinsam mit ihm arbeitete er an mehreren Großprojekten. Die Fährte der Familie verliert sich in den neunziger Jahren. Was bleibt sind die Spuren, die Pařík in seiner Wahlheimat hinterließ.

Das Tschechische Zentrum in Prag präsentiert bis 28. Februar die Ausstellung „Tschechische Fußabdrücke in Bosnien und Herzegowina: Der Architekt Karel Pařík“, Rytířská 31, Prag 1, geöffnet Mo.–Fr. 10–17 Uhr, Eintritt frei