Sagenhafte Mädels
Das tschechische Damentennis erlebt seine erfolgreichste Phase seit den achtziger Jahren. Am Wochenende will das Team um Petra Kvitová erneut den Fed-Cup-Titel holen
11. 11. 2015 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: Das tschechische Fed-Cup-Team nach dem Triumph 2014 in Prag gegen Deutschland/ČTK/Imago Sportdienst
6, 9, 11, 41, 53, 63. Das sind nicht die neuesten, etwas kuriosen Lotto-Gewinnzahlen, sondern die aktuellen Platzierungen der besten tschechischen Tennisdamen in der Weltrangliste. Im Fahrwasser der zweifachen Wimbledon-Siegerin Petra Kvitová halten sich Lucie Šafářová und Karolína Plíšková hartnäckig in oder nahe an den Top-Ten. Im August dieses Jahres standen die drei besten Tschechinnen auf den Rängen vier, sechs und sieben. So gut wie zur Zeit präsentierte sich der hiesige Tennissport auf der Damentour noch nie.
Barbora Strýcová, Lucie Hradecká und Denisa Allertová vervollständigen die hervorragende Top-100-Bilanz. Und dieses Wochenende spielt das Fed-Cup-Team von Captain Petr Pála gegen Russland zum vierten Mal seit 2011 um den wichtigsten Pokal im Damen-Mannschaftstennis. Mit einem Sieg in der heimischen O2-Arena würden Kvitová und Co. auch in Sachen Fed-Cup-Triumphe an die goldenen achtziger Jahre anknüpfen, in denen Legenden wie Helena Suková, Hana Mandlíková oder Jana Novotná zwischen 1983 und 1988 vier Titel holten.
„Das tschechische Tennis ist in einer fantastischen Position. Und die Mädels sind einfach sagenhaft“, so brachte es die wohl beste und bekannteste tschechische Tennisspielerin aller Zeiten auf den Punkt. Martina Navrátilová wurde vor zwei Wochen im Rahmen der WTA-Championships in Singapur von Medienvertretern darauf angesprochen, dass vier tschechische Profis beim Jahresabschluss mit den jeweils acht besten Einzelspielerinnen und Doppelteams anwesend waren. Neben Kvitová und Šafářová spielten auch Andrea Hlaváčková und Lucie Hradecká in der Doppelkonkurrenz um den Titel. „Es ist fast schon unwirklich, dass ein so kleines Land mit zehn Millionen Einwohnern so erfolgreich ist“, so die 59-Jährige, die in ihrer Karriere 167 WTA- und 18 Grand-Slam-Turniere gewann. Den WM-Titel mit der Mannschaft holte Navrátilová mit der Tschechoslowakei nur einmal, und zwar im Jahr 1975. Kurz darauf siedelte sie in die USA über und spielte fortan unter der Flagge ihrer neuen Heimat.
Hervorragende Bedingungen
Dass heutzutage eine junge tschechische Topspielerin lieber für ein anderes Land antritt, ist sehr unwahrscheinlich. Und das hat nicht nur politische Gründe. Ein vorbildliches Nachwuchs-Förderprogramm mit einem dichten Netz an sogenannten Tenniszentren sowie gut ausgebildeten, professionellen Trainern bindet Talente früh an den Verband. So sind hervorragende Rahmenbedingungen gegeben, um eine vielversprechende Karriere zu starten. Zwar braucht es laut Jaroslav Balaš, Sportdirektor des tschechischen Tennisverbandes ČTS, viel Geduld beim Aufbau von Talenten, denn „von den ersten Jugenderfolgen bis hin zum großen Tennis der Profis ist es ein langer und anspruchsvoller Weg“ (siehe Interview auf dieser Seite). Doch glaubt der 47-Jährige, dass auch in naher Zukunft weitere Nachwuchskräfte den Sprung an die Weltspitze schaffen können.
Bereits auf einem guten Weg sind die beiden 19-jährigen Newcomerinnen Kateřina Siniaková und Barbora Krejčíková (WTA 108 und 187). Doch auch im Frauentennis spielt physische Robustheit, ähnlich wie bei den Männern, eine immer größere Rolle, sodass ältere Spielerinnen im Vorteil sind und der Karrierezenit in vielen Fällen um das dreißigste Lebensjahr herum liegt. Das Fed-Cup-Team mit Petra Kvitová (25), Lucie Šafářová (28), Karolína Plíšková (23) und Barbora Strýcová (29) besteht aus routinierten Profis, die schon lange im internationalen Tenniszirkus unterwegs sind.
Kvitová ist zwar mit dem Frust der Championships-Finalniederlage gegen die Polin Agnieszka Radwanska (WTA 5) von Singapur nach Prag gereist; trotzdem gehen die Tschechinnen gegen das russische Team als Favoritinnen ins Duell. In der Prager O2-Arena erwartet die Gäste ein beeindruckendes Zeugnis der großen Popularität tschechischer Tennisdamen. Die über 17.000 Zuschauer fassende Arena wird stets ausverkauft und Schauplatz eines stimmungsvollen Endspiels sein. Ein Umstand, den man in anderen großen Tennisnationen nicht als selbstverständlich betrachten würde. „Ein Finale zuhause ist das Größte. Ich durfte das schon ein paar Mal erleben und muss zugeben, dass ich ziemlich aufgeregt bin und mich wahnsinnig darauf freue“, so Kvitová bei der Teampräsentation am Montag. Ein Sieg der Tschechinnen würde weder Experten noch Buchmacher überraschen. Wie zwischen 1983 und 1988 wäre es der vierte Triumph innerhalb eines Jahrzehnts. Und man könnte wetten, dass das Land danach nicht wie damals 23 Jahre bis zum nächsten Fed-Cup-Titel warten müsste.
„So schlimm war`s nicht“
Die Messi-Show