Weniger ist mehr
Neuer Siebenjahresplan für Europa: Tschechien muss weniger zahlen und profitiert weiterhin vom Finanzausgleich
13. 2. 2013 - Text: Marcus HundtText: mh; Foto: Rainer Sturm/pixelio.de
Am Freitagnachmittag schien die Sonne über Brüssel und auch die 27 Staats- und Regierungschefs hatten im dortigen EU-Ratsgebäude allen Grund zu strahlen. Nach ihrem Verhandlungsmarathon von mehr als 25 Stunden, einigten sie sich auf den EU-Haushalt der Jahre 2014 bis 2020. Der erzielte Kompromiss, den EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy mit müden Augen verkündete, lautet: 960 Milliarden Euro für die kommenden sieben Jahre. Die sogenannten Verpflichtungsermächtigungen liegen mit 34 Milliarden Euro um rund drei Prozent niedriger als in der vorangegangenen Periode.
Der von den Staatsvertretern beschlossene Sparhaushalt, dem noch das Europäische Parlament zustimmen muss, bringt auch der Tschechischen Republik weniger EU-Gelder ein. Anstatt 26,7 Milliarden Euro stehen Prag für die kommende Haushaltsperiode nur noch 20,5 Milliarden Euro aus Brüssel zur Verfügung. Dennoch fühlte sich auch der tschechische Regierungschef Petr Nečas (ODS) als Sieger und rühmte sich seiner guten Verhandlungsstrategie. Schon vor seiner Reise zum EU-Gipfel hatte Nečas den von der EU-Kommission vorgebrachten Haushaltsentwurf als „inakzeptabel“ kritisiert: „Ich fahre mit einem starken und verbindlichen Regierungsauftrag nach Brüssel. Wir sind darauf vorbereitet, notfalls ein Veto einzulegen.“ Auch Italien, Frankreich und Großbritannien hatten einen solchen Schritt erwogen.
Fraglicher Erfolg
Ohne diese Drohung hätte Tschechien in den kommenden Jahren aus weniger vollen Geldtöpfen schöpfen müssen, lobte sich Nečas selbst. Seiner Meinung nach bringe der gegenüber dem Kommissionsvorschlag niedrigere Finanzrahmen Vorteile für sein Land. Zwischen 2014 und 2020 müsse Tschechien rund 1,2 Milliarden Euro weniger als bisher an die Haushaltskassen der EU überweisen und gehöre in Sachen Finanzausgleich zu den – bezogen auf die Einwohnerzahl – vier größten Empfängern von EU-Geldern. Unerwähnt ließ der Regierungschef die Tatsache, dass Tschechien diese Statistik in der zu Ende gehenden Haushaltsperiode anführt.
Sebastian Czuratis vom Centrum für Europäische Politik in Freiburg kann die Haltung des Premiers nachvollziehen, schließlich versuchten Politiker nach solch einem EU-Gipfel stets, „die ausgehandelten Kompromisse im Heimatland als Erfolg zu verkaufen“. Dass Tschechien als sogenannter Nehmer-Staat von der Umverteilung profitiert, hänge mit der weiterhin stark geförderten Agrar- und Kohäsionspolitik der Europäischen Union zusammen, so Czuratis.
In der Gemeinsamen Agrarpolitik hätten die beschlossenen Verpflichtungsermächtigungen laut Nečas durchaus niedriger, im Bereich Wissenschaft und Forschung höher ausfallen können. Die meisten Experten teilen die Ansicht des Regierungschefs, man könne mit dem neuen Finanzrahmen zufrieden sein. „Fördergelder aus Brüssel verhelfen der tschechischen Wirtschaft nicht zu mehr Wachstum. Sie verlangsamen es sogar, schließlich werden dafür auch öffentliche Mittel in Anspruch genommen“, schlussfolgert die Analystin Markéta Šichtařová von Next Finance. Deswegen sei auch nichts gegen Nečas’ strahlendes Gesicht im sonnigen Brüssel einzuwenden, obwohl Tschechien wohl weniger Finanzmittel erhalten wird als in den Jahren zuvor.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“