Ein Sachse unter Titanen
Seit zwei Monaten trainiert Ex-Profi Alexs Menzel die American-Football-Mannschaft von Liberec
18. 11. 2015 - Text: Melanie NolteText und Foto: Melanie Nolte
Auf dem Kunstrasen stehen etwa 40 Männer, aufgereiht an der Mittellinie. Der Trainer gibt das Kommando. Während seine Mannschaft synchron Liegestützen macht, zählt er laut von eins bis zehn. Eigentlich spielen auf dem Feld Fußballer gegeneinander. Heute findet hier aber eine andere Art von Fußball statt – American Football. Auf dem Sportplatz im Viertel Starý Harcov im Osten der nordböhmischen Kreisstadt Liberec trainieren die „Titans“.
In den USA gilt American Football als die Sportart überhaupt, in Europa kann das Ballspiel nicht mit Fußball oder Eishockey mithalten. In Tschechien ist American Football dennoch auf dem Vormarsch. Seit zwei Monaten kann das Team der Liberec Titans auf die Dienste eines Ex-Profis zählen. Der 39-jährige Deutsche Alexs Menzel blickt auf eine Karriere in der NFLE („National Football League Europe“) und der GFL („German Football League“) zurück.
Menzel ist in Zittau, knapp 30 Kilometer nordwestlich von Liberec geboren und aufgewachsen. Nach der Wende absolvierte er eine Lehre als Bau- und Metallmaler und zog 2002 nach Frankfurt am Main. In der Jugendmannschaft der „Frankfurt Galaxy“ begann seine Karriere als Football-Spieler, die ihn später zu den „Barcelona Dragons“ führte. „Ich hatte nie einen festen Platz auf dem Feld, war eher Springer“, erzählt Menzel. Seine Lieblingsposition war aber immer der „Wide Receiver“, der die Pässe des Quarterbacks annimmt, von den Gegenspielern aber meistens sofort geblockt wird.
Die Verletzungsgefahr ist auf dieser Position besonders groß, was auch Menzel zu spüren bekam. Eine Knieverletzung zwang ihn 2004 zu einer dreijährigen Pause. Stillsitzen kam für den Sachsen aber nicht in Frage. „Ich habe die Zeit genutzt und in Jena eine Ausbildung zum Sportlehrer absolviert.“ Danach sammelte er in den USA erste Trainererfahrung als Assistent bei den „Nebraska Cornhuskers“. Doch das war für ihn auf Dauer keine Option. Erneut nahm er Helm, Schulterschutz und Schuhe selbst in die Hand. Er spielte in Oberbayern für die „Starnberg Argonauts“ und später wieder in Frankfurt.
Frischer Wind
Irgendwann musst er seine Spielerkarriere dennoch beenden. „Es ist leider so, dass man Football nur bis zu einem gewissen Alter spielen kann. Mein Körper hat mir meine Grenzen gezeigt. Deshalb habe ich mich nun für eine Trainerstelle entschieden“, sagt Menzel, der genau wusste, was ihn in Liberec erwartete. Er beobachtet das Team schon eine Weile und sah sich einige Spiele an. Zu Gesprächen kam es aber erst vor kurzem. Die Nähe zu Zittau sei nicht ausschlaggebend für die Wahl des Vereins gewesen, so der Trainer. Auch deutsche und Prager Teams hatte er im Visier, die Entscheidung für Nordböhmen fiel spontan. „Ich wurde nach Liberec eingeladen und wir haben uns sofort verstanden“, erzählt Menzel. „Es war Liebe auf den ersten Blick.“
Anfang Oktober unterschrieb er einen Jahresvertrag. Ihn motiviert der Ehrgeiz seiner Spieler, sich täglich verbessern zu wollen. „Ich habe mich für Liberec entschieden, weil die Jungs es echt verdient haben. Das Team ist ein Rohdiamant, der behutsam geschliffen werden muss.“ Außerdem gefällt Menzel die tschechische Mentalität. Die Menschen seien ganz anders als in Deutschland; selbstbewusster und offener gegenüber Neuem, findet er.
Frischen Wind können die Liberec Titans gut gebrauchen. Der Verein, der sich 2010 aus etwa einem Dutzend ehemaliger Spieler der „Liberec Highlanders“ gründete, hat einen holprigen Start hinter sich. Nachdem er 2011 vom nationalen Verband ČAAF aufgenommen wurde, konnte er in der ersten Saison nicht mit elf Mann antreten. Die Titans spielten mit einem „Sieben-gegen-sieben-System“. Erst seit 2013 stehen sie durchgehend zu elft auf dem Platz.
„Momentan verfügen wir über einen Kader von etwa 50 Spielern, davon sind aber etwa die Hälfte Junioren“, erklärt Klubmanager Kristián Koller. Der 25-Jährige spielt auf der Position des „Runningback“ und ist für das Laufspiel mit Ball verantwortlich. Das Training mit einem deutschen Coach sei noch ungewohnt, da die Position bisher nur aktive Einheimische besetzten, die ihre Erfahrung an jüngere Teamkameraden weitergaben. „Es ist aber auch interessant. Wir lernen bei jedem Training etwas dazu“, meint Koller.
Ein Herz für den Nachwuchs
Alexs Menzel hat große Pläne: „Wir wollen jedem die Möglichkeit geben, die Sportart zu betreiben, auch denen, die es sich nicht leisten können“, erklärt er und erzählt von den hohen Kosten, die der Sport mit sich bringe. „Mit Ausrüstung kommen da schnell 500 bis 600 Euro zusammen.“ Um optimale Bedingungen zu schaffen, ist der Verein auf Sponsoren angewiesen. Menzel hat deswegen bereits Kontakt zu einem Hersteller aufgenommen, der sich auf die passgenaue Vermessung der Ausrüstung spezialisiert hat.
Aber nicht nur die Sponsorensuche gehört zu den Aufgaben des neuen Cheftrainers. Menzel legt Wert auf Nachwuchsarbeit. Im Dezember will er in die USA reisen. Er hofft, an Highschools motivierte Talente zu finden, die für ein Jahr in Liberec spielen. Das Projekt ist als Schüleraustausch geplant, um jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Ob denn so viel Interesse an einem Austausch mit Liberec bestehe? „Die Schüler wollen andere Länder sehen, in fremden Teams spielen, was natürlich auch für ihre Karriere entscheidend sein kann“, bejaht Menzel entschieden. Er will Talente gewinnen und dauerhaft halten, sie deswegen ins Vereinsleben integrieren. Für den Trainer ist es selbstverständlich, dass zu Freundschaftsspielen auch die Junioren mitreisen. Für April 2016 ist ein Spiel gegen „Frankfurt Universe“ geplant.
Menzel profitiert von seinen Kontakten nach Deutschland. Auch die Gespräche mit dem zukünftigen Co-Trainer Christian Mohr fädelte er ein. Mit dem zweiten Deutschen im Team konnten die Titans einen ehemaligen Spieler mit viel Erfahrung gewinnen. Zwischen 2004 und 2009 war der Sportwissenschaftler unter anderem Profi in den USA, wo er für die „Seattle Seahawks“, die „Philadephia Eagles“ und die „Cleveland Browns“ auflief.
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