Es werde Licht
Laternenanzünder Jan Žákovec bringt historische Kandelaber zum Leuchten
16. 12. 2015 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: Archiv Jan Žákovec/Pražská plynárenská
Man muss heute nicht mehr wissen, was ein Kandelaber ist. Das Wort ist aus der Mode gekommen und auch die meterhohen, tonnenschweren und oft säulenartigen Laternenmasten, an deren Armen mehrere Gaslampen leuchten, hatten längst ausgedient. Es ist praktischer und günstiger, die Dunkelheit mit elektrischem Licht zu vertreiben. Trotzdem sind Kandelaber und Gaslampen vor ein paar Jahren nach Prag zurückgekehrt – und mit ihnen der fast vergessene Beruf des Laternenanzünders. In der dunklen Jahreszeit erwacht er nun zu neuem Leben.
Jan Žákovec ist zwei Meter und fünf Zentimeter groß. Wenn er in einer Menschenmenge steht, überragt er die meisten anderen um ein bis zwei Köpfe. Für einen Laternenanzünder ist das ein Vorteil, aber keine Voraussetzung. Sein Werkzeug sei der Bambusstab, erklärt Žákovec. Richtig zusammengeschraubt, bringt er damit auch den Kandelaber auf dem Hradschiner Platz (Hradčanské náměstí) zum Leuchten, der mehr als acht Meter hoch ist.
Ein gutes Auge, eine ruhige Hand und ein wenig Übung brauche es zum Anzünden, sagt Žákovec. „Aber eine große Kunst ist das nicht.“ Der Stab hat am oberen Ende einen Haken, mit dem er die Vorrichtung im Inneren jeder einzelnen Lampe treffen und leicht daran ziehen muss, damit Gas ausströmen und das Licht entfachen kann. Vorher aber müssen die historischen Kandelaber von Automatik auf Handbetrieb umgestellt werden.
Ende des 19. Jahrhunderts, als Laternenanzünder noch täglich ihre Runden drehten, gab es in der Stadt 16 achtarmige Kandelaber und mehr als 600 Masten mit ein bis vier Gaslampen. Für das Licht sorgten Profis in Uniform, die bei den Gaswerken angestellt waren. Jeden Abend zündeten sie die Lampen an, jeden Morgen löschten sie das Licht wieder. Zeitweise wurde in der Nacht die Flamme reduziert, um Gas zu sparen. Bis zu 100 Mitarbeiter waren mit dieser Tätigkeit in Prag beschäftigt. Als nach dem Zweiten Weltkrieg immer mehr Wege mit elektrischem Licht beleuchtet wurden, sank auch die Zahl der Anzünder, statt Profis ließen nun Aushilfen das Licht angehen, bis 1985 die Gasflammen ganz aus Prag verschwanden.
Doch mit dem Gas ging auch ein wenig Zauber verloren, fand die Stadtverwaltung und beschloss 2002, die Beleuchtung auf dem Krönungsweg – vom Pulverturm über den Altstädter Ring und die Karlsbrücke bis zur Burg – wieder auf Gas umzustellen. In den Lampen des achtarmigen Leuchters auf dem Hradschiner Platz flackerte 2006 erstmals wieder eine Gasflamme, es folgten die Laternen auf der Karlsbrücke, der achtarmige Kandelaber in der Loretogasse (Loretánská) und im vergangenen Jahr ein vierarmiger auf dem Draschitz-Platz (Dražického náměstí). Insgesamt werden derzeit etwa 680 Lampen mit Gas betrieben. Sie alle sind an das Prager Laternennetz angeschlossen und werden per Fernsteuerung angezündet. Ein elektrischer Impuls sorgt für einen Funken und es wird ganz automatisch Licht.
Wie kleine Feuer
Außer in der Advents- und Weihnachtszeit. Dann dreht Žákovec, sonst Leiter des Museums der Prager Gaswerke (Pražská plynárenská), mit historischem Mantel und langem Bambusstab seine Runde, um zu demonstrieren, wie seine Vorgänger arbeiteten. Das Interesse an den Führungen sei groß, sagt der Laternenanzünder, der die Tour von Kandelaber zu Kandelaber zusammen mit der Galerie der Hauptstadt Prag anbietet. Ob Strom oder Gas eine Lampe zum Leuchten bringt, ist laut Žákovec nicht nur eine technische Frage. „Das elektrische Licht ist kalt, tot, kühl. Die Gaslaternen dagegen brennen wie kleine Feuer. In der Weihnachtszeit, vor allem bei Nebel, Regen oder Schneefall sorgt das für Nostalgie, es schafft diese romantische Atmosphäre des alten Prag.“
Auch wenn die Magie der halbdunklen Gassen hierzulande besonders oft beschrieben wurde, ist Prag nicht die einzige Stadt, die noch oder wieder auf Gaslaternen setzt, um ihren Straßen historischen Glanz zu verleihen. In London zum Beispiel leuchten Gaslampen rund um Buckingham Palace und Westminster Abbey, in Straßburg vor dem Münster und in Berlin gibt es sogar ein Gaslaternen-Freilichtmuseum, erzählt Žákovec, der 2009 ein Buch mit dem Titel „Plynové lampy“ („Gaslampen“) geschrieben hat.
In Prag könne er sich noch einige Orte vorstellen, zu denen das warme Licht der Gasflammen gut passen würde, meint der Anzünder. „In der Josefstadt zum Beispiel, vor dem Rudolfinum.“ Für eine komplette Rückkehr plädiert aber selbst der Experte nicht. Irgendwo am Stadtrand oder an einer Autobahn wäre kein geeigneter Platz für Gaslaternen, meint Žákovec. Im Zentrum dagegen sei die Stadt bereit, die Mehrkosten zu zahlen, weil auch die Stadtverordneten der Meinung seien, dass das Licht die Stadt attraktiver mache – und nicht zuletzt Touristen anlocke.
Das erhofft man sich auch von den restaurierten achtarmigen Kandelabern, die der Bildhauer Eduard Veselý in den Jahren 1867 und 1868 nach einem Entwurf des Architekten Aleš Linsbauer aus Gusseisen schuf. Vier Frauengestalten in antiken Gewändern sind darauf zu sehen und eine Figur, die Prag darstellt. Jede Stadt habe ihre eigenen Laternenmasten, sagt der Anzünder. Und die schönsten? „Die gibt es natürlich in Prag.“
Von Kandelaber zu Kandelaber. Spaziergang im Licht historischer Gaslaternen mit Jan Žákovec. Dienstag, 29. Dezember, 17 Uhr, Treffpunkt am historischen Kandelaber in der Loretogasse, gegenüber den Kasernen der Burgwache. Die Führung ist kostenlos und findet auf Tschechisch statt.
Auf unbestimmte Zeit verschoben
Neue Formen des Unterrichts