Sturm im Bierglas
Das Ministerium für Landwirtschaft will Gerstensaft neu kennzeichnen
13. 1. 2016 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: Fraser Elliot/BY-NC 2.0
Tschechische Biertrinker müssen sich womöglich bald umgewöhnen. Gerstensaft mit elf oder zwölf Grad Stammwürze könnte künftig den Namen Vollbier (plné pivo) tragen; die bisherige häufig dafür gebrauchte Bezeichnung Lager (ležák) würde sich dann nur noch auf die Art der Herstellung beziehen; 13-gradige Biere würden nicht mehr als Spezialbiere, sondern als Starkbiere gelten. Das sieht zumindest ein Vorschlag des Landwirtschaftsministeriums vor.
Wie Ministeriumssprecher Hynek Jordán bekanntgab, würde derzeit eine Umbenennung der Lagerbiere besprochen. Eine neue Namensordnung könnte ab Juli in Kraft treten. Damit kommt das Ministerium den Anträgen zahlreicher Brauereien nach, die bereits im vergangenen Jahr eine Neukennzeichnung gefordert hatten. Ihnen ist die bisherige Kennzeichnung zu verwirrend. Laut dem Präsidenten des Böhmisch-Mährischen Verbandes der Minibrauereien Jan Šuráň wird der Name Lager derzeit auch für obergärige Weizenbiere verwendet. „Damit sind wir nicht einverstanden. Sollte der Name durch Vollbier ersetzt werden, stimmen wir zu“, sagt Šuráň. „Behalten wir den Ausdruck Lager als Bezeichnung für eine eigenständige Gruppe von Bieren, wird es weiterhin Debatten geben“, fürchtet Jordán.
Diskussionsstoff liefert auch die Bezeichnung Porter. Laut gegenwärtiger Gesetzesordnung umfasst diese hierzulande sämtliche dunklen Biere aus Gerstenmalz mit mehr als 18 Grad Stammwürze. Im Rest der Welt bezieht sich der Begriff nur auf einen Biertyp.
Auf Flaschen soll eine Angabe des Alkoholgehalts künftig nur bei Bieren mit wenig Alkohol verpflichtend sein. Die Gradzahl kann, aber muss nicht auf dem Etikett ausgewiesen werden. Wird die Änderung tatsächlich verabschiedet, plant das Ministerium für Landwirtschaft eine „Aufklärungskampagne“, mit der es den Verbraucher an die neuen Biertypen gewöhnen will.
Ein Getränk – viele Begriffe
Wer in Tschechien zum ersten Mal eine Bierflasche kauft, der könnte verwirrt sein: Auf dem Etikett steht die Zahl 10 oder 12 und ein Grad-Zeichen. Dahinter verbirgt sich jedoch nicht der Alkoholgehalt des Bieres. Vielmehr bezieht sie sich auf die Stammwürze und gibt an, wie hoch der Anteil der vergärbaren Extrakte des im Wasser gelösten Malzes und Hopfens ist. Als Faustregel gilt: Teilt man den angegebenen Wert der Stammwürze durch drei, erhält man den Alkoholgehalt. In der Kneipe bestellen tschechische Biertrinker oftmals ein „desítku“ („Zehner“) oder „jedenáctku“ („Elfer“). Der Begriff Lager, der derzeit für Diskussion im Landwirtschaftsministerium sorgt, bezieht sich in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert auf schwach gehopfte Vollbiere mit elf bis 15,9 Grad Stammwürze. Bei obergärigen Bieren steigt die Hefe während des Brauens an die Oberfläche, bei untergärigen sinkt sie dagegen auf den Boden des Tanks. Zu ersteren gehören beispielsweise Weizenbier, Berliner Weiße und Gose, zu letzteren werden Lager-, Schwarz- und Exportbier gezählt. (fn)
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