Klatsch und Tratsch

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Das Theater am Geländer setzt sich mit dem Bild Václav Havels in den Medien auseinander

13. 1. 2016 - Text: Jan NechanickýText: Jan Nechanický; Foto: KIVA

 

Zum Theater am Geländer (Divadlo Na zábradlí) hatte Václav Havel eine besondere Beziehung. In den sechziger Jahren arbeitete er dort als Bühnentechniker und lernte seine Frau Olga kennen. Später in seinem Leben dachte der Autor und Politiker gern an diese Zeit zurück. Auch das Schauspielhaus erinnert an ihn. Mit der Inszenierung „Velvet Havel“ verarbeitete es bereits vor zwei Jahren kollektive Erinnerungen an die Schlüsselfigur der Samtenen Revolution. Das Theaterstück wurde nun in Deutsche übersetzt und mit Übertiteln versehen.

In der Retrospektive begegnen die Zuschauer weniger Havel selbst als vielmehr den verschiedenen Gesellschaften, in denen er lebte und die sich von ihm ihre Bilder geschaffen haben. Diese Bilder sind das Thema des Stücks, wobei sich die Autoren bewusst mit deren künstlichem Charakter auseinandergesetzt haben und sie in eine Groteske verwandeln.

„Velvet Havel“ erzählt keine zusammenhängende Geschichte. Das Stück besteht eher aus einer Collage von Szenen, die verschiedene Episoden aus Havels Leben wiedergeben. Sie wechseln zwischen Klischees und Karikaturen, die zunächst die kommunistische Propaganda und später die Medien von ihm geschaffen haben. So wird er unter anderem als verwöhnter Bourgeois oder als kindlicher Idealist dargestellt. Musikalische Elemente verstärken das Groteske. Jede Episode gipfelt in einem Lied, das ironisierend den jeweiligen Abschnitt in Havels Leben zusammenfasst. Durch die musikalische Gestaltung balanciert das Stück an der Grenze zwischen Kabarett und Musical.

Bereits der Rahmen des Stücks unterstreicht den künstlichen Aspekt der Bilder in den Medien. Ihn schafft Havels Onkel Miloš, ein Medienunternehmer und Filmproduzent, der über seinen Neffen einen Film drehen will. Er begleitet Havel während des gesamten Stücks mit Kommentaren und Regieanweisungen. Sein Film soll eine Bilanz ziehen – von einem Leben im Scheinwerferlicht, einem Leben in den Medien. Und so leitet Miloš, der ein Gespür davon hat, was sich in der Medienbranche gut verkaufen lässt, das Stück mit einer Frage ein, die schon immer im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand: „Na Václav, was machen die Frauen?“

Keine Lobeshymne
Auch das Thema Frauen durchzieht das Stück: in der Gestalt Olgas, Havels Ehefrau, die ironisch über ihren unpraktischen und untreuen Ehemann schimpft und ihm trotzdem immer wieder verzeiht. Die Muse hingegen steht für verschiedene Liebhaberinnen, die ihn anbeten und dennoch ständig überhört und übersehen werden. Der Zuschauer begegnet aber auch anderen Personen. Die Szenen, in denen Havel seinen Namensvetter und Konkurrenten Klaus trifft, bringen den ganzen Saal zum Lachen.

Wer etwas über die Persönlichkeit Václav Havel erfahren möchte, sollte eher ein Buch zur Hand nehmen. Aus diesem Stück erfährt er wenig über ihn, historische Fakten stehen nicht im Vordergrund. Vielmehr scheint der Regisseur Jan Frič davon auszugehen, dass man sie ohnehin schon kennt.

Sein Anliegen ist ein anderes. „Velvet Havel“ dreht sich weniger um den ehemaligen Präsidenten als um die Medien und die Bilder, die sie von ihm entwarfen. Der Zuschauer erfährt damit mehr über die, die sich erinnern und ihre Erinnerungskultur.

Das Stück feiert Havel nicht und weicht auch an manchen Stellen nicht von einer gewissen Pietätlosigkeit zurück. Das schadet dem Phänomen Havel jedoch nicht. Es wirkt eher erfrischend unter den ganzen historischen Analysen, unkritischen Verherrlichungen und neiderfüllten Kritiken, die immer wieder veröffentlicht werden.

Velvet Havel. Divadlo Na zábradlí (Anenské náměstí 5, Prag 1), 17. Februar, 19 Uhr, Eintritt: ab 150 CZK, www.nazabradli.cz