Im Strickfieber
Engelsfiguren an der Sankt-Bartholomäus-Kathedrale in Pilsen bekommen winterfeste Kleidung
20. 1. 2016 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: ČTK/Pavel Němeček
Manche schauen verdrossen, andere grimmig, bei einigen kann man sogar ein Lächeln im Gesicht ausmachen. So freundlich und farbenfroh wie jetzt sahen die vergoldeten Engel am schmiedeeisernen Gitter der Sankt-Bartholomäus-Kathedrale jedoch noch nie aus. Unbekannte haben sie mit selbstgestrickten und -gehäkelten Mützen und Schals ausgerüstet, die sie vor Schnee und eisigem Wind schützen.
Der erste Engel erhielt bereits wenige Tage vor Weihnachten eine Pudelmütze, in den folgenden Wochen kamen Strickwaren für weitere hinzu. Inzwischen haben elf der insgesamt 29 Puttenköpfe Wintersachen an. Wer mit dem Stricken für die himmlischen Geschöpfe begann, ist unbekannt. Mit Fotos sucht die Stadt derzeit in sozialen Netzwerken nach der Person, die dem ersten Engel eine Mütze aufgesetzt hat. Noch hat sich niemand gemeldet. Der kreative Unbekannte hat mittlerweile aber offenbar Nachahmer gefunden. Neue Bekleidung kommt vor allem in den frühen Morgenstunden hinzu. Die „Täter“ stehlen sich danach einfach davon.
Die Stadt scheint angesteckt vom Strick- und Häkelfieber. „Gestern habe ich im Internet ein Foto mit vier angezogenen Engeln entdeckt. Als ich herkam, um sie mir anzuschauen, waren es schon neun. Wenn ich stricken könnte, hätte ich auch etwas beigetragen“, gesteht eine Passantin.
Die barocken Figuren stammen aus dem Jahr 1713. Einem der kleinen Engel wird eine wundersame Wirkung zugesprochen. Wie eine Legende erzählt, wollte ein Henker einst in der Pilsener Kathedrale heiraten. Da ihm jedoch der Zutritt zur Kirche verweigert wurde, musste ihn ein Freund vor dem Altar vertreten. Der Henker betete an einem Altar an der Außenwand. Als er sich wieder erhob, hielt er sich an einem der vergoldeten Puttenköpfe am schmiedeeisernen Gitter fest. Das sahen zufällig Passanten, die in der ganzen Stadt davon berichteten, wie der Mann den Engel um Hilfe bat. So kam die Legende vom glücksbringenden Engelchen in die Welt. Bis heute berühren es die Pilsener, seine goldene Farbe hat es daher längst verloren.
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