Heiße Spur nach Frýdlant
Bayerische Schatzsucher vermuten das verschollene Bernsteinzimmer in Nordböhmen. Tschechische Behörden halten nichts von der Theorie
17. 2. 2016 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Fotos: APZ, Zdeněk Fiedler/CC BY-SA 4.0
Zwei Oberpfälzer sind sich sicher. Das verschollene Bernsteinzimmer befinde sich in den Kellerräumen von Schloss Frýdlant (Friedland in Böhmen), behaupten Erich Stenz und Georg Mederer laut einem Bericht des Bayerischen Rundfunks. In der rund 7.500 Einwohner zählenden Stadt im Isergebirgsvorland, gut 20 Kilometer nördlich von Liberec, soll sich der Schatz verbergen. Dort will man von dieser Theorie allerdings nichts wissen.
Auf die Spur brachte Stenz angeblich vor einigen Jahren eine Frau, die während des Zweiten Weltkriegs als Köchin auf Schloss Frýdlant arbeitete. Sie soll beobachtet haben, wie Militärkolonnen Kisten mit Schmuck, Gold und Gemälden in den Schlosskeller brachten. Stenz versichert, persönlich mit der Zeugin gesprochen zu haben, die mittlerweile verstorben ist. Mit Mederer war er bereits in Frýdlant, um das Schloss zu besichtigen. Ihnen fiel eine merkwürdig aussehende Wand auf, die wohl nachträglich eingemauert wurde. Außerdem verweisen sie auf einen Funkspruch, den ein Neffe des Schlossherrn damals abgesetzt haben soll, angeblich im Auftrag von Hitlers Privatsekretär Martin Bormann. Er habe befohlen, das Bernsteinzimmer nach Böhmen zu bringen, glauben die Oberpfälzer. In den vergangenen Jahren sind sie unter anderem auf ein Notenblatt gestoßen, auf dem sie eine verschlüsselte Botschaft Bormanns zu erkennen glauben. Sie soll auf das Versteck des Schatzes hinweisen. Nun würden die tschechischen Behörden jedoch weitere Nachforschungen blockieren, behaupten Stenz und Mederer.
Miloš Kadlec, Leiter der Denkmalverwaltung, die für Schloss Frýdlant zuständig ist, hört nicht zum ersten Mal von einer angeblichen Spur nach Nordböhmen. Bereits in den neunziger Jahren habe jemand das Bernsteinzimmer auf Schloss Sychrov, etwa 20 Kilometer südlich von Liberec, gesucht. Und auch 2011 habe er eine ähnliche Geschichte gehört wie jetzt, nur dass damals nicht klar gewesen sei, um welches Gebäude es sich handeln sollte. „Das wurde schon auf verschiedenen Ebenen untersucht“, erklärt Kadlec. In Frýdlant hätten die beiden Oberpfälzer bereits gesucht und selbst zugegeben, dass dort nichts sei. Kadlec ist sicher, dass der Schatz nicht in Frýdlant verborgen ist. „Die Kisten, die wohl diese Köchin gesehen hat, wurden irgendwann kurz vor Kriegsende ins Schloss gebracht. Aber darin waren Bücher aus Berliner Bibliotheken, die noch im Jahr 1945 wieder nach Berlin zurückgeschickt wurden“, sagt Kadlec.
Merkwürdiger Auftritt
Dass die tschechischen Ämter die Baupläne des Schlosses nicht rausrücken wollen, wertet Stenz als Beweis dafür, dass sie einen Skandal fürchten, den der Fund des Zimmers ans Licht bringen könnte. Kadlec weist das zurück. „Wir werden schon aus Sicherheitsgründen niemandem die Pläne solcher Objekte geben.“
Kastellanin Jana Pavlíková hält die ganze Geschichte für „Unsinn“, wie sie dem Nachrichtenserver „Lidovky.cz“ sagte. Sie zweifelt an der Professionalität der deutschen Schatzsucher. „Das sind Amateure, die so etwas noch nie im Leben gemacht haben“, wirft sie den beiden vor und beschreibt ihren Auftritt in Frýdlant als merkwürdig. Wahrscheinlich habe ihnen nicht gefallen, dass sie ihnen nicht gestattete, das gesamte Schloss zu durchsuchen, vermutet die Kastellanin.
Das Bernsteinzimmer: verschollen oder zerstört?
Lange bevor es zur Legende wurde, war das Bernsteinzimmer ein Geschenk für den russischen Zaren Peter den Großen. Er bekam es im Jahr 1716 vom preußischen Herrscher Friedrich Wilhelm. Anschließend befand es sich im Katharinenpalast bei Sankt Petersburg. Im Herbst 1941 baute die Wehrmacht es ab und transportierte es nach Königsberg. Dort wurde es 1944 in den Gewölben des Schlosses eingelagert, das gegen Ende des Zweiten Weltkriegs zerstört wurde. Seitdem gilt das Zimmer als verschollen und treibt immer wieder Hobby-Historiker und Abenteurer zur Schatzsuche an. In Tschechien wurde es unter anderem bereits im Erzgebirge und im Böhmerwald vermutet. Manche Wissenschaftler glauben, die sowjetischen Truppen hätten das Bernsteinzimmer bei der Einnahme der Stadt Königsberg (heute Kaliningrad) zerstört; andere halten es für wahrscheinlich, dass einzelne Teile noch immer in den Ruinen des dortigen Schlosskellers verschüttet sind. Eine Kopie des Bernsteinzimmers können Touristen seit 2003 in Sankt Petersburg besichtigen.
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