Juwel ohne Glanz
Im März 1891 wurde der Industriepalast als Schmuckstück auf dem Messegelände eröffnet. Heute wartet er auf seine Sanierung
23. 3. 2016 - Text: Franziska NeudertText: fn; Foto: Vity, APZ
Als kleines Wunderwerk der Technik wurde der Industriepalast vor 125 Jahren eröffnet. Knapp 240 Meter breit, bekrönt von einem filigranen Uhrturm, der 51 Meter in die Höhe ragt. Ein Leichtgewicht, in dessen Innerem sich 800 Tonnen Eisenkonstruktion verbergen. Das aus Stahl, Stein und Glas errichtete Gebäude wurde eigens für die Prager Jubiläumsausstellung gebaut; am 15. März 1891 öffnete es seine imposanten Hallen. Auf dem Ausstellungsgelände in Holešovice (Výstaviště Praha) war das Bauwerk mit 500.000 Goldmünzen damals das teuerste Gebäude des Areals.
Das bleibt es auch heute noch. Denn seit ein Feuer den linken Flügel des Industriepalastes im Oktober 2008 fast vollständig verschlang, wartet der Bau auf seine millionenschwere Rekonstruktion. Wie der Prager Stadtrat für Kultur Jan Wolf (KDU-ČSL) Ende Januar sagte, solle die Planung des Wiederaufbaus im Mai oder Juni beginnen. Die Kosten schätzt er auf etwa 800 Millionen Kronen (rund 30 Millionen Euro). Karel Grabein Procházka vom Unternehmen Rozvojové projekty Praha, das für die Reparatur verantwortlich ist, sieht das anders. Ihm zufolge würde eine Erneuerung des Flügels bis zu 1,5 Milliarden Kronen kosten und fünf bis acht Jahre dauern. Bis dahin könnte eine zweistöckige montierte Halle die abgenutzten Zelte ersetzen, die anstelle des abgebrannten Flügels aufgestellt wurden.
Erbaut wurde der Industriepalast nach Plänen der Architekten Bedřich Münzberger und František Prášil. Inspirieren ließ sich Münzberger vor allem von der Pariser Weltausstellung 1889, für die unter anderem der Eiffelturm errichtet worden war. Mit der Konstruktion aus Eisengerüsten und Glas schufen die Architekten den ersten Bau in Böhmen, der aus vorgefertigten Stahlträgern bestand. In die Gestaltung der Fassade bezogen sie Elemente aus Jugendstil und Neobarock ein. Das Portal schmückten ursprünglich Statuen tschechischer Persönlichkeiten; die Seitenflügel zierten Büsten bedeutender Techniker. Das Gewölbe überspannt eine dreiteilige Halle, in der Aussteller auf einer Fläche von etwa einem Hektar ihre Waren präsentieren können. Mit seinem majestätischen Ausmaß wurde der Industriepalast zum Herzstück des Messegeländes. Bei der Jubiläumsausstellung sollte er die Wiedergeburt der tschechischen Nation sowohl künstlerisch als auch industriell demonstrieren.
Zu den Attraktionen des Geländes gehörte auch der elektrisch beleuchtete Springbrunnen vor dem Palast, der nach seinem Schöpfer, dem Techniker und Industriellen František Křižík, benannt wurde. Er stattete das Messegelände außerdem mit 226 Bogen- und mehr als 1.400 Glühlampen aus.
Die Ende des 19. Jahrhunderts aufkommende Bauweise mithilfe einer Stahlkonstruktion blieb kein Einzelfall in Prag. Anlässlich der Landesausstellung entstand auf dem Petřín (Laurenziberg) eine kleine Kopie des Eiffelturms. Der 318 Meter hohe Aussichtsturm wurde am 20. August 1891 feierlich eröffnet. Mit der Standseilbahn auf dem Petřín und dem Gartenrestaurant im Hanau-Pavillon auf der Letná-Höhe bereicherte die Leistungsschau Prag um weitere Sehenswürdigkeiten.
In den Jahren 1952 bis 1954 wurde der Industriepalast nach einem Entwurf des Architekten Pavel Smetana umgebaut. Er erhielt unter anderem eine Vorhalle am Eingang und wurde in „Kongress-Palast“ umbenannt, da die Kommunistische Partei die Hallen für ihre großen Tagungen nutzte. Zu seinem ursprünglichen Namen kam er erst wieder nach der politischen Wende im Jahr 1990.
Am 16. Oktober 2008 leuchtete der Himmel über Holešovice bis tief in die Nacht dunkelrot. Ein nicht abgestellter Elektrokocher hatte ein Feuer ausgelöst, das den linken Flügel des Palastes zerstörte. Seitdem beschäftigt sich der Magistrat mit der Wiederbelebung des denkmalgeschützten Messegeländes. Für den inzwischen tristen Zustand des Industriepalastes, in dem kaum noch hochwertige Messeveranstaltungen stattfinden, wird die Firma Incheba verantwortlich gemacht. Diese hat das Gelände fast zehn Jahre lang gepachtet, jedoch kaum investiert. Ende 2012 einigte sich das Unternehmen mit der Stadt Prag auf die vorzeitige Auflösung des Mietvertrags zum Dezember 2014. Der Magistrat erließ Incheba sogar Schulden in Höhe von knapp 128 Millionen Kronen.
Ende September 2014 entschied die damalige Stadtregierung unter Oberbürgermeister Václav Novotný (TOP 09), die Sanierung des Messegeländes ohne privaten Investor zu bewerkstelligen. Neben dem Westflügel des Industriepalastes sollten weitere historische Gebäude instandgesetzt werden. Bereits damals sagte Novotný, es sei aus Kostengründen unmöglich, alle Objekte zu erhalten. Vom Abriss bedroht ist unter anderem das Rundtheater Divadlo Spirála, das seit Jahren verfällt. Das Bauvorhaben wurde immer wieder auf Eis gelegt.
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