Der König der Komiker
Der Schauspieler Vlasta Burian hätte am 9. April seinen 125. Geburtstag gefeiert. Der Star der dreißiger Jahre fiel nach dem Zweiten Weltkrieg in Ungnade – erst in den Neunzigern wurde er rehabilitiert
6. 4. 2016 - Text: Jan NechanickýText: Jan Nechanický; Foto: ČTK
Vlasta Burian bringt die Menschen bis heute zum Lachen. Noch immer wird er der König der Komiker genannt. Die Filme, in denen er mitspielte, laufen im tschechischen Fernsehen. Obwohl sie vor mehr als 80 Jahren in die Kinos kamen, ruft der Name des Schauspielers bei vielen Zuschauern Begeisterung hervor, während die Regisseure längst in Vergessenheit geraten sind. Doch Burian war nicht nur Filmstar, er war auch ein guter Fußballspieler und ein Selfmademan. Ein schneller Aufsteiger, der tief fiel.
Burians Karriere steht beispielhaft für den Aufschwung der zwanziger und dreißiger Jahre in der Tschechoslowakei. Geboren 1891 in armen Verhältnissen, brachte er es aus eigener Kraft zum Filmstar, den das ganze Land kannte. Sein Vater war Schneider im nordböhmischen Reichenberg (Liberec). Als der Sohn zehn Jahre alt war, zog die Familie ins Prager Arbeiterviertel Žižkov. Für den Vater war mit dem Umzug ein beruflicher Aufstieg verbunden. Seinen Sohn nahm er mit in die Oper und ins Theater, das den kleinen Vlasta faszinierte.
Nach ein paar Jahren trat er selbst zum ersten Mal öffentlich auf. Zuerst war Burian in Nebenrollen zu sehen. Er spielte im Schwanda-Theater (Švandovo divadlo) und im Theater in den Weinbergen (Divadlo na Vinohradech). Seine erste Hauptrolle erhielt er in Johann Nestroys „Der böse Geist Lumpacivagabundus“. Nachdem seine Kollegen sein komödiantisches Talent entdeckt hatten, wirkte er auf mehreren Prager Kabarettbühnen. Ausgelastet war er damit allerdings nicht. Nebenbei stand Burian auch auf dem Fußballplatz, unter anderem im Trikot von Sparta Prag. Von 1920 bis 1924 absolvierte er 78 Spiele für den Verein.
Gleichzeitig bekam der beliebte Kabarettist 1923 seine erste Filmrolle. Sieben Jahre später trat Burian als Hauptdarsteller in der Komödie „C. a k. polní maršálek“ (auf Deutsch später: „Der falsche Feldmarschall“) auf. Seitdem spielte er jedes Jahr in zwei bis vier Filmen, die auch im Ausland ihr Publikum fanden. Zwischen 1930 und 1935 entstanden deutschsprachige Versionen unter anderem von „Pobočník Jeho Výsosti“ („Ich und der Kaiser“/„Der Adjutant seiner Hoheit“) und „Hrdina jedné noci“ („Held einer Nacht“). Außerdem arbeitete er für den Rundfunk, nahm Schallplatten auf, schrieb Erzählungen und posierte auf Werbeplakaten. Sein eigenes Theater konnte Burian bereits 1930 eröffnen. In einer Prager Passage in der Lazarská-Straße entstand das Vlasta-Burian-Theater, das heutige Divadlo Komedie.
Burian war der Aufstieg gelungen. Seinen Reichtum trug er zur Schau. Neben dem Theater besaß er auch einen Modesalon und ein Kino, wohnte in einer Villa mit Schwimmbecken und Tennisplatz und fuhr teure Autos.
Abgesetzter König
Schwierig wurde es für den Komiker nach dem Münchner Abkommen. Im Protektorat Böhmen und Mähren boten die Nationalsozialisten Burian immer wieder Rollen in deutschen Filmen an. Er lehnte die Zusammenarbeit mehrmals ab; 1941 wurde er jedoch gezwungen, in einem antisemitischen Propaganda-Sketch mitzuwirken, in dem er den Exilminister Jan Masaryk parodierte. Das wurde ihm kurz nach Kriegsende zum Verhängnis. Burian wurde verhaftet und der Kollaboration mit den Nationalsozialisten beschuldigt.
Als Selfmademan der dreißiger Jahre war er den neuen Machthabern ein Dorn im Auge. Es kam zum Prozess. Doch außer der erzwungenen Teilnahme an dem Sketch konnten die Ankläger Burian nichts vorwerfen. Erst im dritten Anlauf gelang es, ihn zu verurteilen. Der König der Komiker wurde enteignet, verlor sein Theater und durfte nicht mehr öffentlich auftreten.
Fünf Jahre später konnte er zwar wieder auf der Bühne stehen. Die Erniedrigung und der erzwungene Rückzug aus der Öffentlichkeit hatten den Entertainer, der von der Bewunderung des Publikums abhängig war, jedoch zerstört. In den fünfziger Jahren durfte er noch in Nebenrollen im Film spielen. Den einstigen Ruhm erreichte er aber nie wieder. Burian starb 1962.
Rehabilitierung nach 1990
Bis in die neunziger Jahre galt Burian als Verräter. Erst 1991 veröffentlichte der Theaterwissenschaftler Vladimír Just den ersten Teil seiner zweibändigen Monografie über Burian. Zehn Jahre lang hatte Just in Archiven nach Material über den Komiker gesucht. Außer diesem einen Sketch fand er nichts, was den Schauspieler belastet hätte. In seinem Buch zeigte Just, dass der Prozess gegen Burian politisch motiviert war und leitete damit Burians Rehabilitierung ein.
Der über 40 Jahre alte Fall wurde neu aufgerollt. Neben Just setzte sich der erste Richter Burians für den Schauspieler ein, der 1994 gerichtlich rehabilitiert wurde. Vier Jahre später wurde in Prag eine Gedenktafel an Burians Villa in Dejvice enthüllt; auch die Passage, in der einst sein Theater gestanden hatte, wurde nach ihm benannt. Im Jahr 2000 errichtete Burians einstiger Fußballverein seinem ehemaligen Torwart im Sparta-Stadion eine Gedenktafel. 2002 wurde seine Urne auf den Friedhof auf dem Vyšehrad gebracht, auf dem bedeutende Tschechen begraben sind. Nach einem halben Jahrhundert bekam der König der Komiker seine Krone zurück.
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?