Eine Alternative für Tschechien?

Eine Alternative für Tschechien?

Islamgegner wollen eigene Partei gründen. Als Vorbild könnte die AfD dienen. Aber die wirbt um einen anderen Partner

4. 5. 2016 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: ČTK/Roman Vondrouš

Wer in Prag am 1. Mai demonstrieren gehen wollte, hatte es einfach. Vorausgesetzt er wollte seine Angst vor Muslimen und seine Ablehnung gegenüber Flüchtlingen zum Ausdruck bringen. Die Islamgegner hatten gut geworben für ihren „Protest­marsch gegen illegale Einwanderung und gegen die Islamisierung Europas“. Sie hatten ihre 43.000 Facebook-Freunde über die Demonstration informiert und einige davon kamen auch – etwa 400 laut Polizeiangaben. An einer Gegenveranstaltung teilzunehmen, war dagegen schwerer. Man musste schon gleichzeitig gegen Kapitalismus sein und lange nach Zeit und Ort der Veranstaltung suchen, um sich der linken Initiative „Zleva proti xenofobii“ („Von links gegen Fremdenfeindlichkeit“) anzuschließen. Rund 250, schätzt die Polizei, haben den Weg gefunden.

Die Aktionen am 1. Mai verliefen unspektakulär. Aber sie zeigten ein weiteres Mal, dass die Islamgegner hierzulande keine Probleme haben, ihre Anhänger zu mobilisieren. Noch gilt das vor allem für Demonstrationen. Bald schon könnte sich das aber auch bei Wahlen bestätigen. Denn der Chef des sogenannten Blocks gegen den Islam (Blok proti islámu, BPI) Martin Konvička hat am vergangenen Freitag angekündigt, er werde eine Partei gründen, die 2017 bei den Parlamentswahlen antreten wolle. „Wir unternehmen schon jetzt Schritte zur Gründung einer politischen Bewegung“, sagte Konvička. Vertretern des BPI zufolge könnte diese bereits bei den Kreis- und Senatswahlen im Herbst kandidieren. Darüber sollten jedoch die Verantwortlichen in den Regionen entscheiden.

Wie die „Mladá fronta Dnes“ berichtete, soll sich die neue Partei an der deutschen AfD orientieren. „Die Alternative für Deutschland scheint ein gutes Modell zu sein“, sagte der BPI-Ideologe Petr Hampl der Tageszeitung. Die AfD sei „patriotisch, gegen Einwanderung, gegen Islami­sierung und ohne Zweifel auch wirtschaftsliberal“. Zudem „wirkt die Partei kultiviert und spricht auch Bürger aus der Mittel- und Oberschicht an“. Laut dem Bericht erwägen die Islamfeinde, ihre neue Partei „Alternativa pro Česko“ zu nennen.

Das dürfte einigen in der AfD wohl schmeicheln. Das deutsche Vorbild interessiert sich aber angeblich mehr für eine andere tschechische Partei. In ihrer Dienstagsausgabe zitierte die „Mladá fronta Dnes“ den Chef der bayerischen AfD Petr Bystroň, der selbst tschechische Wurzeln hat. Die AfD werde „sicher­lich einen Partner in Tschechien suchen“, sagt er. „Wir sind eine liberal-konservative Partei und unser Programm entspricht am ehesten dem Programm der ODS. Mit ihr waren wir auch bis vor kurzem in einer Fraktion im Europäischen Parlament.“

Die ODS hatte mit der AfD im EU-Parlament zusammengearbeitet, bis die deutschen Vertreter aus der Fraktion ausgeschlossen wurden. Auch die Europaabgeordneten der tschechischen Bürgerdemokraten hatten sich für den Ausschluss eingesetzt – in Abstimmung mit der Parteiführung, wie der ODS-Vorsitzende Petr Fiala in der „Mladá fronta Dnes“ zitiert wird. Eine nähere Kooperation ziehe man daher nicht in Betracht, so der Parteichef. Fraglich ist, ob das alle so sehen. Zumal der ODS-Gründer und Ex-Präsident Václav Klaus ein bekennender Anhänger der AfD ist. In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ sagte er im vergangenen Jahr: „Wenn ich Deutscher wäre, hätte ich vermutlich bei der AfD meine politische Heimat.“ Dass Klaus auch weiterhin auf AfD-Veranstaltungen auftritt, zeige wohl, „dass ihm die rassistischen Überzeugungen einer Frauke Petry, eines Björn Höcke oder einer Beatrix von Storch näher sind als die Politik Bernd Luckes“, erklärt Lara Schultz von der Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archiv­stelle München.

Der Block gegen den Islam jedenfalls stört sich an rassistischen Aussagen nicht. Gegen den Vorsitzenden Konvička selbst hatte die Staatsanwaltschaft im Herbst Ermittlungen aufgenommen. Dem Hochschullehrer wurde Volksverhetzung vorgeworfen, weil er auf Facebook unter anderem angekündigt hatte, Muslime nach einem Wahlsieg „zu Fleischmehl verarbeiten“ zu wollen oder sie in Konzentrationslager zu sperren.
Bis zum Wahlsieg ist es noch ein weiter Weg. Aber die nun angekündigte Parteigründung wäre ein erster Schritt. Bisher waren die Islamgegner nur indirekt im Abgeordnetenhaus vertreten – über eine Kooperation mit der rechtspopulistischen Partei Úsvit – Národní koalice. Als Bündnis wollten sie ursprünglich bei den nächsten Wahlen gemeinsam antreten. Vor kurzem hatte der BPI die Zusammenarbeit jedoch aufgekündigt. Konvička wirft einigen Mitglieder von Úsvit vor, sie hätten nur das Ziel verfolgt, wieder ins Unterhaus gewählt zu werden. Das sei eines der Probleme der Zusammenarbeit gewesen. Streit gab es jedoch auch um die Finanzen.

Aus Angst Profit geschlagen
Der Bruch mit Úsvit habe das Wählerpotenzial des BPI geschwächt, meint der Politik­wissenschaftler Miroslav Mareš von der Brünner Masaryk-Universität. Gemeinsam, so glaubt er, könnten die beiden Bewegungen „in einigen Regionen die Fünf-Prozent-Grenze überwinden“. Am erfolgreichsten wären die fremdenfeindlichen Bewegungen Mareš zufolge, wenn es zur Zusammenarbeit zwischen Konvička und dem Úsvit-Gründer Tomio Okamura kommen würde. Dem Rechtspopulisten Okamura, der seine eigene Partei mittlerweile verlassen hat, vertrauen laut einer Umfrage des Instituts CVVM 33 Prozent der Tschechen. Ob sich die beiden zusammenschließen, ist allerdings fraglich.

Und bisher war der BPI auch ohne Okamura erfolgreich – gemessen am Zulauf und an der Aufmerksamkeit der Medien zumindest. Der Bewegung sei es gelungen, „in einer Zeit gesteigerter Ängste vor der Migrationskrise und Terrorismus einen Raum anzubieten, in dem sich Menschen verwirklichen können, die gegen etwas protestieren wollen“, erklärt Mareš. Und sie habe es geschafft, Menschen nicht nur in sozialen Netzwerken anzusprechen, sondern sie auch zu Demonstrationen auf der Straße zu mobilisieren.

Úsvit habe von der Zusammenarbeit mit dem BPI profitiert, meint Mareš. Die Partei habe mit Okamura ihre charismatische Persönlichkeit verloren. Seinen Nachfolgern sei es nicht gelungen, ihn zu ersetzen – im Gegensatz zur AfD, die sich auch ohne ihren Gründer Bernd Lucke als lebensfähig erweise, wie sich nicht zuletzt bei den Landtagswahlen vor wenigen Wochen zeigte.

Sollten auch die tschechischen Islamgegner ihre Anhänger bald auch zum Gang zur Urne bewegen können, würde wohl ein noch schärferer Ton in die Parlamente einziehen, als man es bisher von Úsvit gewohnt ist. Und ihre Themen würden noch mehr Raum einnehmen. Eine „teilweise Gefahr“ sei, dass der Block gegen den Islam die Aufmerksamkeit von manchen anderen Problemen des Landes ablenke, meint Politologe Mareš. Der Zulauf der Islamgegner sei einerseits ein Anzeichen dafür, dass ein großer Teil der Öffentlichkeit unzufrieden mit den etablierten politischen Parteien sei. Andererseits könne die Situ­ation dazu führen, dass die Aufmerksamkeit sich nur noch auf die Programmschwerpunkte dieser Bewegung mit engem politischen Profil konzentriert, auf Kosten aller wichtigen Bereiche.

Kritik am Geheimdienst
Zudem trage der BIP dazu bei, eine Atmosphäre zu schaffen, „die manche aus dem antiislamischen Spektrum für Drohungen und Gewalttaten nutzen“, auch wenn die Bewegung sich von diesen Entwicklungen distanziere. Wie diese Atmosphäre sich anfühlt, konnte man kürzlich in Prag beobachten, als Cafés und andere Einrichtungen, die sich für Toleranz und Solidarität mit Flüchtlingen engagierten, mit rechten Parolen beschmiert wurden. Auch der Angriff auf das autonome Kulturzentrum „Klinika“ am „europaweiten Pegida-Aktionstag“ im Februar zeugt von diesem Klima.

Der tschechische Inlandsgeheimdienst (BIS) bewerte antimuslimische Aufmärsche dennoch „nicht als Bindeglied zwischen extremer Rechter und sogenannter Mitte“, sagt Lara Schultz. „Er übersieht eine Vermischung der Szenen.“ Sie kritisiert, dass der BPI im Bericht des Geheimdienstes nicht unter „Rechtsextremismus“ aufgeführt werde, sondern unter der neuen Rubrik „Antimuslimische und Anti-Migrations-Parteien“, die mit „Rechtsextremismus“ konkurrieren würden. „Dass es keine klare Trennlinie gibt, scheint dem BIS noch nicht aufgefallen zu sein.“

Auch für Miroslav Mareš sind Angriffe wie die auf die Prager Cafés keine Einzelfälle. „Verschiedene Formen rechter Gewalt gab es schon früher. Das Geschehen jetzt ist eher eine Fortsetzung der Aktivitäten gewaltbereiter Fußballhooligans, die von neonazistischer Ideologie beeinflusst wurden. Neu ist vor allem der Kontext der Migrationskrise. Wahrscheinlich wird es weiterhin ähnliche Angriffe geben und die Intensität der Gewalt kann sich noch steigern, wenn die Polizei nicht schnell die Täter ermittelt.“