Verrat und Tapferkeit
In seinem neuen Buch erzählt Franz Peter Künzel vom Bauernaufstand in Böhmen
13. 7. 2016 - Text: Volker StrebelText: Volker Strebel; Foto: APZ
Mit dem Roman „Aufstand in den Tod“ ist dem Übersetzer, Lektor und Redakteur Franz Peter Künzel ein später Coup gelungen. Weniger überraschend dürfte sein, dass der Roman in Böhmen angesiedelt ist. Angeregt durch umfangreiche Recherchen seines Onkels wendet sich Künzel, geboren 1925 in Königgrätz (Hradec Králové), den Vorgängen des Jahres 1680 zu, als sich in vielen Teilen des böhmischen Landes empörte Bauern gegen übertriebene Frondienste und Abgabenverpflichtungen erhoben. Die Zustände waren im Laufe der Jahre immer unhaltbarer geworden, nicht nur das Gesinde, die Knechte und Mägde, auch die Bauern selbst waren längst an die Grenzen des Erträglichen gestoßen.
In seinem Roman „Aufstand in den Tod“ schildert Künzel, wie sich die Bauern im Braunauer Ländchen in Ostböhmen zusammentaten, um hier gegen die Klosterherrschaft der Benediktiner Widerstand zu leisten. Sie beriefen sich dabei auf verbriefte Privilegien aus dem Jahr 1506, welche ihnen vom damaligen Abt Gregor IV. zugesichert worden waren. Die damaligen Herrschaften freilich wollten von diesem Zugeständnis nichts wissen.
Der Auftakt zu diesem Roman erfolgt bei Nacht und Nebel. Die erleuchtete Stube des Dorfschulzen Georg Kinzel ist aus der unwirtlichen Nacht heraus deutlich sichtbar. Ein heimlicher Besucher klopft an das Fenster. Der Bauer Johann Pohl aus Märzdorf soll Kinzel über die unruhige Stimmung der Bauern unterrichten und sein Einverständnis als Sprecher für die gemeinsamen Anliegen einholen. Kinzel gilt im ganzen Umland als vertrauenswürdig und hat zugleich einen gewissen Zugang zum Abt des Klosters Thomas Sartorius, da beide als Knaben gemeinsam die Schulbank gedrückt hatten. Kinzel weiß freilich längst, wie es um Land und Leute steht. Seiner Gewissensentscheidung steht lediglich das Schicksal seiner Familie entgegen. Was würde aus seiner Frau, seinen Kindern und Enkeln werden? Es bahnt sich ein Dilemma an.
Der Konflikt spitzt sich zu
Immer wieder fallen auch Andeutungen bezüglich eines gewissen Pater Seffe, der eigentlich Josef Brosch heißt, und ein bei der Bevölkerung sehr beliebter Kleriker war. Ob sein unerklärliches Verschwinden damit in Zusammenhang steht, dass er verbotene Schriften der Reformtheologen John Wyclif und Jan Hus studierte und diese auch dem Schulten Kinzel zur Verfügung gestellt hatte? Ob dies auch die tapfere Haltung Kinzels bei seiner Entscheidung beeinflusst hatte? Während die Obrigkeit den Widerstand der Bauern als gegen die von Gott gegebene Ordnung brandmarkte, weigert sich der später festgenommene Kinzel im Verhör mit dem gefürchteten Appellationsrat Ignaz Graf von Sternberg, jegliche Schuldbekenntnisse einzugestehen: „Ich habe nichts zu bekennen, es sei denn mein Einstehen für Unterdrückte und Hungernde. Ich klage an!“
Franz Peter Künzel gelingt es, der sozialen Dramaturgie auch sprachlich gerecht zu werden. Aufmerksam schildert er die dörfliche Landschaft. Wenn beim Betreten des Stalles die Pferde grüßen, spürt man, dass der Erzähler weiß, wovon er spricht.
Die dargestellte Idylle täuscht freilich. Aus dem Spannungsverhältnis zwischen der Bauernschaft und dem Kloster mit seiner weltlichen Verwaltung unter dem berüchtigten Amtmann Sibelius entsteht eine anwachsende Konfliktsituation. Neben Verrat und Niedertracht bleibt dennoch Platz für Liebe und Tapferkeit, auch wenn das Schicksal unaufhaltsam seinen Lauf nimmt.
Künzel hat sich Zeit seines Lebens für das gegenseitige Verstehen in der deutsch-tschechischen Nachbarschaft engagiert. Es gibt nicht wenige, die neben der Bewunderung für Künzels Lebensleistung auch bedauern, dass er aufgrund dieses Engagements gerade auch in schwierigen Zeiten versäumt hatte, seine eigene literarische Stimme zu pflegen. In seinem Roman „Aufstand in den Tod“ inszeniert Künzel eine dramatische Zuspitzung nach allen Regeln der erzählenden Kunst.
Franz Peter Künzel: Aufstand in den Tod. Helmut Preussler Verlag, Nürnberg 2015, 168 Seiten, 14,80 Euro, ISBN 978-3-934679-56-6
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?