Graue Vorboten
Die Fotografien von Dana Kyndrová dokumentieren das Ende der sowjetischen Besatzung
14. 7. 2016 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Fotos: Dana Kyndrová/Leica Gallery
Am 21. Juni 1991 endete ein Kapitel der tschechoslowakischen Nachkriegsgeschichte: Der letzte sowjetische Soldat verließ das Land. Mehr als 70.000 Soldaten waren nach der Niederschlagung des Prager Frühlings in der Tschechoslowakei stationiert. Vielen galten sie als Symbol für die politische Unterdrückung, umso begeisterter feierten die Menschen den Abzug vor 25 Jahren.
Die Fotografin Dana Kyndrová hat nicht nur die Jahre des Umbruchs 1990 und 1991 mit ihrer Kamera festgehalten. Ein Vierteljahrhundert danach hat sie die Orte, an denen die Soldaten damals stationiert waren, erneut besucht. Unter dem Titel „Mit ihnen und ohne sie“ präsentiert die Leica Gallery ab Sonntag die Aufnahmen beider Serien. Die Schwarz-Weiß-Fotografien geben einen meist bedrückenden, mitunter aber auch ironischen Einblick in die Zeit der Besatzung, die heute von vielen lieber verdrängt wird. Zu sehen sind vor allem Bilder aus Milovice (Milowitz). In der mittelböhmischen Stadt hatten die sowjetischen Truppen ihr Hauptquartier. Für die Familienmitglieder der Offiziere wurde dort praktisch eine neue Stadt errichtet.
Als die Soldaten abzogen, fuhr Kyndrová nach Milovice; sie fotografierte leere Nachtlager, verlassene Kasernen und wie die jungen Männer in den Bus einstiegen. Teile kaputter Panzer, leere Straßen und einstürzende Bauten dokumentieren auch den beginnenden Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums.
Kyndrová, geboren 1955 in Prag, zählt zu den bedeutendsten tschechischen Dokumentarfotografen. Im Alter von 18 Jahren entdeckte sie die Kamera als ihr Medium, mit dem sie ihr Umfeld in Schwarz-Weiß einfing. Ihre erste große Bildserie erschien Mitte der siebziger Jahre, nachdem sie ein halbes Jahr in Togo verbracht hatte, um dort das Leben der Menschen zu dokumentieren.
Obwohl Fotografie ihre Leidenschaft war, entschied sich Kyndrová für ein Sprachstudium in Prag. Später lehrte sie Französisch und Russisch an der Technischen Universität und an der Akademie der musischen Künste in Prag. Der Durchbruch als Fotografin gelang ihr mit der Bilderreihe über den Abzug der sowjetischen Soldaten im Jahr 1991.
Seitdem widmet sich Kyndrová hauptsächlich der Fotografie. Im Jahr 2006 erhielt sie ein Stipendium der Stadt Prag, um Obdachlose mit ihrer Kamera zu begleiten. Mit der Bilderserie beteiligte sie sich am Wettbewerb für das beste tschechische Pressefoto. In den Jahren 1995 bis 1999 erhielt sie sieben Mal eine Auszeichnung in dem Wettbewerb. Kyndrová ist zudem als Kuratorin tätig. Sie organisierte beispielsweise eine Retrospektive zum Werk des Fotografen Miloň Novotný und eine Ausstellung über das Leben Jan Palachs. Ihren Lebensunterhalt bestreitet Kyndrová auch als Reiseführerin in Nord- und Westafrika sowie in Kamtschatka.
Die Bilder der 61-Jährigen sind weniger aus künstlerischer Perspektive bemerkenswert, sondern vor allem als Zeitzeugnisse. Sie spiegeln das Ende einer Ära wider, die zu einem wunden Punkt im kollektiven Gedächtnis geworden ist.
S nimi a bez nich. Leica Gallery (Školská 28, Prag 1), geöffnet: täglich 14 bis 20 Uhr, Eintritt: 70 CZK (ermäßigt 40 CZK), 17. Juli bis 4. September, www.lgp.cz
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