Produktion mit Halbfabrikaten
Raiffeisenbank: In Tschechien fehlt der heimische Mehrwert
11. 8. 2016 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: APZ
Trotz Wirtschaftswachstum und sinkender Arbeitslosigkeit hinkt Tschechien in der Produktion hinterher. In vielen wichtigen Bereichen werden Erzeugnisse nicht fertiggestellt, sondern bleiben in einem „Montagezustand“ stecken. Das ergab eine Analyse der Raiffeisenbank, deren Ergebnisse vor kurzem veröffentlicht wurden. Die unfertigen Teile würden dann ins Ausland wie zum Beispiel nach Deutschland exportiert, wo der komplexere Teil der Produktion beendet wird.
Laut den Analysten müsse Tschechien mehr hochwertige Waren auf den Markt bringen und den Mehrwert heimischer Produkte steigern. Dieser ist innerhalb der EU am viertniedrigsten; auch unter den OECD-Ländern gehört Tschechien hinsichtlich der Wertschöpfung zu den Schlusslichtern. Wesentlich besser schneide laut Raiffeisenbank dagegen Polen ab. Das Nachbarland exportiere Waren mit einem wesentlich höheren Mehrwert. Mehr als ein Viertel der polnischen Ausfuhr besteht aus Endprodukten heimischer Herstellung. „Auch was den Export von Dienstleistungen betrifft ist Polen erfolgreicher, fast drei Viertel der exportierten Dienstleistungen stammen aus polnischen Quellen“, sagt Raiffeisen-Ökonomin Helena Horská.
Besonders groß fällt das Defizit der Wertschöpfung in den Schlüsselfeldern der tschechischen Wirtschaft aus. „Es ist alarmierend, dass der geringste Anteil des Mehrwerts in Branchen geschaffen wird, die die tschechische Wirtschaft nach vorne bringen und zu den bedeutendsten Stützen des Exports gehören“, so Horská. Betroffen sei davon vor allem die Herstellung von Transportmitteln und Elektronikwaren sowie der IT-Sektor. Der Anteil dieser Wirtschaftszweige am tschechischen Export mache insgesamt fast die Hälfte aus.
Eine Schwachstelle bleibt auch der Anteil der Dienstleistungen am Export. Laut Raiffeisenbank ist er der zweitniedrigste innerhalb der Visegrad-Staaten. Mehr als die Hälfte der Dienstleistungen müsse Tschechien daher importieren – vor allem technologisch hochwertige Leistungen wie fertige Kfz-Teile. „Wir müssen den Anteil der Dienstleistungen am Export erhöhen, fertige statt halbfertige Waren produzieren und uns direkt an den Endverbraucher wenden“, sagt Horská. „Je größer der Anteil der Produktionskette innerhalb Tschechiens, desto größer ist auch der Mehrwert.“
Ein Paradox des tschechischen Arbeitsmarktes besteht der Analyse zufolge darin, dass hierzulande qualifizierte Arbeitskräfte fehlen, obwohl laut OECD 16 Prozent der Mitarbeiter überqualifiziert seien. Die tschechische Wirtschaft sei jedoch noch nicht auf einem Niveau angelangt, an dem sie qualifizierten Arbeitern entsprechende Stellen anbieten könnte. Eine entsprechende Erhebung von OECD aus dem Jahr 2013 ergab, dass nur drei Länder ein größeres Problem mit diesem Phänomen haben als Tschechien – Irland, Spanien und Österreich. „Man kann davon ausgehen, dass eine Minderheit der Beschäftigten auf eine anspruchsvollere Produktion vorbereitet ist. In der heimischen Wirtschaft sind sie aber nur spärlich vertreten“, so Horská.
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