7 Milliarden für 7 Punkte
Das Arbeitsministerium stellt einen Plan zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vor. Experten begrüßen grundsätzlich das Vorhaben, hegen aber Zweifel
20. 3. 2013 - Text: Marcus HundtText: mh/čtk; Foto: U.S. Army
Arbeitsministerin Ludmila Müllerová (TOP 09) verbreitet seit neuestem Zuversicht. Denn sie hat eigenen Worten zufolge ein Mittel gefunden, um die Lage auf dem tschechischen Arbeitsmarkt zu beruhigen. „Wir haben genügend Geld zur Verfügung, um den Unternehmen und Gemeinden dabei zu helfen, Arbeitsplätze nicht nur zu halten, sondern auch neue schaffen zu können“, sagte Müllerová am vergangenen Freitag in Prag. Entsprechende Maßnahmen sind dringend geboten, denn die Arbeitslosigkeit im Land fiel nie höher aus als heute (siehe auch Infografik auf Seite 7). Knapp 600.000 Menschen waren im Februar ohne Beschäftigung, das entspricht einer Arbeitslosenquote von 8,1 Prozent. Während Analysten prophezeien, die Situation werde sich verschlechtern, gibt sich Ministerin Müllerová auch in Zeiten der Rezession hoffnungsfroh. Zehntausende Jobsuchende sollen schon bald eine Arbeitsstelle finden. Woher kommt ihre Zuversicht?
„Das Arbeits- und Sozialministerium will mit Hilfe eines Sieben-Punkte-Plans sowie mit staatlichen und europäischen Fördermitteln versuchen, das Interesse der Firmen an Arbeitskräften zu steigern und diejenigen zu unterstützen, die auf Jobsuche sind“, meint die Sprecherin des Ministeriums Štěpánka Filipová. Zu den sieben Punkten gehören unter anderem die im Herbst 2012 nach deutschem Vorbild eingeführte Kurzarbeit, das gezielte Fördern von Langzeitarbeitslosen, Berufseinsteigern und Müttern sowie der Ausbau „bedarfsgerechter Fortbildungen“. Auch der Sprung in die Selbständigkeit soll finanziell unterstützt werden. Mit bis zu 80.000 Kronen (rund 3.200 Euro) sollen „sinnvolle unternehmerische Vorhaben“ künftig bezuschusst werden. Das gesamte Maßnahmenpaket lässt sich das Arbeitsministerium insgesamt 7 Milliarden Kronen (etwa 273 Millionen Euro) kosten.
Doch ist diese Summe auch wirklich gut angelegt? Arbeitsmarkt-Experten zeigen sich skeptisch. Für den Analysten Pavel Sobíšek steht fest: „Ein Ökonom sollte eigentlich aufjubeln, wenn der Staat sich dazu entschlossen hat, das Problem der hohen Arbeitslosigkeit systematisch in den Griff zu bekommen. Doch der Plan des Arbeitsministeriums ruft bei mir eher Zweifel hervor.“ Dabei denkt er vor allem an die von den Gemeinden geschaffenen Arbeitsplätze, die künftig bezuschusst werden sollen. „So mancher Bürgermeister würde wohl erst einmal dafür sorgen, dass einer seiner Familienangehörigen Arbeit bekommt“, mutmaßt Sobíšek, der in diesem Zusammenhang auch einer förderungswürdigen Existenzgründung kritisch gegenübersteht. Doch nicht alles sei schlecht: Die Unterstützung der Teilzeitbeschäftigung von Müttern begrüßt Sobíšek ebenso wie die vereinfachten Bestimmungen zur Kurzarbeit. Diese könne das Arbeitslosenproblem nur abmildern, wenn sich auch die wirtschaftliche Talfahrt fortsetzt. „Bevor die Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, wird der Plan des Ministeriums sicher noch einmal überarbeitet“, glaubt Sobíšek.
Für die Tschechische Wirtschaftskammer und den Tschechischen Industrieverband stellt der Sieben-Punkte-Plan einen Schritt in die richtige Richtung dar. Gleichzeitig weisen die beiden Organisationen aber auch auf Missstände hin. Während Lenka Vodná von der Wirtschaftskammer den Fachkräftemangel in Tschechien kritisiert, fordert der Sprecher des Industrieverbands Milan Mostýn eine stärkere Einbindung der örtlichen Arbeitsämter in die neue Strategie: „Die Ämter sind personell unterbesetzt, wichtige Beratungsgespräche bleiben zwangsläufig auf der Strecke. Außerdem haben die Arbeitsämter oft keinen Überblick über freie Stellen und wissen viel zu wenig über den beruflichen Werdegang der Arbeitssuchenden.“
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