„Das Erstarken der Rechten macht mir Sorgen“
Dota Kehr über politisch engagierte Musik und ihr neues Album „Keine Gefahr“. Nächste Woche tritt sie im Klub Potrvá auf
27. 9. 2016 - Interview: Jan Nechanický, Foto: Sandra Ludewig
Dota Kehr hat schon mit 14 Jahren mit ihrem Saxophon auf der Straße gespielt. Mit 21 lernte die Berlinerin Gitarre spielen und fing an, ihre ersten Lieder zu komponieren. Später studierte sie Medizin und lebte eine Zeit lang in Brasilien und Ecuador. Doch die Musik hat sie nie an den Nagel gehängt. Unter dem Namen „Kleingeldprinzessin“ brachte sie 2003 ihr erstes Studioalbum heraus, das sie selbst produzierte. Inzwischen ist sie zu einer der bekanntesten Singer-Songwriterinnen der deutschen Independent-Szene aufgestiegen. Auf dem eigenen Label, „Kleingeldprinzessin Records“, erscheint in diesen Tagen ihr zwölftes Album, das die 37-Jährige mit ihren drei Bandmitgliedern eingespielt hat. „Dota und die Stadtpiraten“ treten am 5. Oktober zum ersten Mal in Prag auf.
Ihre Lieder sind oft politisch, manchmal aber auch poetisch und schwärmerisch. Wie entstehen Ihre Songs?
Das beginnt mit einem emotionalen Zugang zu einem bestimmten Thema, denn ein Lied ist kein nüchterner Essay. Auch bei einem politischen Stoff kann ich nur Stücke über Dinge schreiben, die mich berühren. Ich beobachte viel und arbeite Gesehenes auf. Dabei drängen sich bestimmte Geschichten wie von selber auf. Das geschieht bei politischen Themen genauso wie bei solchen, die den Alltag betreffen.
Gibt es etwas, das Sie zurzeit besonders bewegt?
Das Aufkommen der politischen Rechten in Europa. In Deutschland gibt es mit der AfD sehr starke nationalistische Tendenzen. Und das ist zum Beispiel auch in Polen oder Ungarn der Fall. Das bereitet mir Sorgen.
Sie haben einige Zeit in Südamerika gelebt. Hatte diese Auslandserfahrung einen Einfluss auf Ihre heutige soziale und politische Ausrichtung?
Für mich war die Konfrontation mit großer Armut eine prägende Erfahrung. Aber um sich dieser Probleme bewusst zu werden, muss man nicht unbedingt ins Ausland gehen. Etwas, was ich dort aber auch gelernt habe, ist Musik als Kommunikationsmittel zu verwenden.
Gibt es Künstler, die Ihnen beim Komponieren und Texte-Schreiben als Vorbilder dienen?
Christof Stählin und Sebastian Krämer schreiben sehr gute Texte. Ihre Kunst geht aber mehr in Richtung Kabarett. Auch wenn ich das selbst nicht machen könnte, mag ich politische Satire sehr. Meine musikalischen Vorbilder sind aber ganz woanders zu finden. Ich höre gerne Radiohead und sehr viel brasilianische Musik.
Sie führen Ihr eigenes Plattenlabel. Was hat Sie dazu bewegt?
Ich mag meine Unabhängigkeit und möchte mir von niemandem in meine Kunst reinreden lassen. Viele Kollegen stehen bei einer Plattenfirma unter Vertrag, bei denen auch das Management viel zu sagen hat. Das würde ich nicht akzeptieren. Manchmal wünsche ich mir zwar auch ein bisschen mehr Beratung. Aber die suche ich mir, wenn ich sie brauche.
Das neue Album heißt „Keine Gefahr“. Wie kamen Sie auf diesen Titel?
Einem Album einen Namen zu geben, ist immer ein schwieriges Unterfangen. Ganz lange hatten wir vor, es „Die Flucht nach vorn“ zu nennen. Das passte so gut zu vielen Stücken auf der Platte. Dann haben wir den Namen aber gegoogelt und gemerkt, dass es schon mehrere Alben von anderen Bands mit diesem Titel gibt. Wir mussten uns sehr schnell etwas Neues überlegen. „Keine Gefahr“ passt ebenfalls ganz ordentlich. Und mir gefiel es als eigenständige Aussage, weil heutzutage so viel Angst geschürt wird – also: Keine Sorge, es besteht keine Gefahr!
Sie treten kommenden Mittwoch in Prag auf. Eine Singer-Songwriterin, die auf Deutsch singt trifft auf ein Publikum, das die Sprache zum großen Teil nicht verstehen wird. Was erwarten Sie von dem Konzert?
Ich bin sehr gespannt darauf. Klar werden sehr viele Leute meine Texte nicht verstehen. Daher werden wir vor allem die Musik für sich sprechen lassen. Ich erwarte einfach einen schönen Abend in einer netten Atmosphäre.
Dota Kehr und die Stadtpiraten. Klub Potrvá (Srbská 2, Prag 6), Mittwoch, 5. Oktober, 19 Uhr, Eintritt: freiwillig
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