Immunität aufgehoben
Abgeordnete genießen nur noch während ihrer Amtszeit Schutz vor Strafverfolgung
27. 3. 2013 - Text: Marcus HundtText: mh/čtk; Foto: Hynek Moravec/Creative Commons
Was am 28. September 1995 erstmals versucht worden war, hat in der vergangenen Woche endlich geklappt. Der Senat räumte auf mit einer in Europa einmaligen Regelung, wonach Parlamentarier und Verfassungsrichter eine Immunität auf Lebenszeit genießen. Für die Gesetzesnovelle stimmten 58 von 81 Senatoren, also mehr als die für Verfassungsänderungen erforderliche Drei-Fünftel-Mehrheit. Die parlamentarische Immunität, die den Schutz vor Strafverfolgung garantiert, gilt nun auch in Tschechien nur noch für die Dauer des Mandats. Zuvor durften Abgeordnete auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt für Straftaten, die sie während ihres Mandats begingen, nicht belangt werden – es sei denn, das Parlament hob diese Unantastbarkeit auf. Mitte Februar hatte bereits das Abgeordnetenhaus mit großer Mehrheit für ein Ende der Immunität votiert, die seit 1920 in der tschechoslowakischen Verfassung verankert und 1993 in die der neu entstandenen Tschechischen Republik übertragen worden war.
Die meisten ODS-Senatoren stimmten gegen die Vorlage, weil die Immunität ihrer Ansicht nach noch weiter eingeschränkt werden müsse. Der Schutz vor Strafverfolgung solle nur für Äußerungen im Parlament gelten, also lediglich das Recht auf Meinungsfreiheit für Abgeordnete garantieren. Einen solchen Entwurf hatte Finanzminister Miroslav Kalousek (TOP 09) im Februar dem Abgeordnetenhaus vorgelegt; nur 50 der 168 anwesenden Parlamentarier sprachen sich damals dafür aus. Für Jaroslav Kubera, Vorsitzender der ODS-Senatorengruppe, hätte diese Variante das „Problem ein für alle Mal gelöst“. Nun wäre es weiterhin möglich, dass straffällig gewordene Volksvertreter Zeugen beeinflussen und die Immunität somit für eigene Zwecke ausnutzen könnten. Zudem wies Kubera darauf hin, dass etwaige Straftaten des jeweiligen Parlamentariers im Falle seiner Wiederwahl verjähren könnten.
Der Beschluss des Senats, der einen Schlusspunkt hinter insgesamt 15 erfolglose Parlamentsabstimmungen zur Aufhebung der lebenslangen Immunität setzte, beendete laut Kateřina Klasnová (VV) eine „tschechische Anomalie in Europa“. Laut Experten hätten vor allem prominente Fälle mutmaßlicher Korruption, die in den vergangenen zwei Jahren die Schlagzeilen beherrschten, zu einem Umdenken der Politiker geführt.
Die Verfassungsänderung könnte bereits am 1. April in Kraft treten. Dafür müsste Präsident Miloš Zeman die Novelle aber noch in diesem Monat unterzeichnen. Ein Veto gegen die Parlamentsentscheidung darf das Staatsoberhaupt, das seit vergangenem Jahr über eine ähnlich eingeschränkte Immunität verfügt, nicht einlegen.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“