Fußball, Flirt und Faschismus

Fußball, Flirt und Faschismus

Karel Čapeks „Der Krieg mit den Molchen“ in limitierter Ausgabe neu aufgelegt

20. 10. 2016 - Text: Volker StrebelText: Volker Strebel; Bild: Edition Büchergilde

Als weltoffener Zeitgenosse fuhr Karel Čapek (1890–1938) in den zwanziger und dreißiger Jahren durch ganz Europa und berichtete darüber in verschiedenen Reisebüchern. Zugleich war er ein begnadeter Dramatiker und hatte sich auch einen Namen als Fotograf, Zeichner und Übersetzer gemacht. Seine politisch-philosophischen Betrachtungen „Gespräche mit Masaryk“ spiegelten den Zeitgeist der Ersten Tschechoslowakischen Republik. Feinfühlig registrierte Čapek im Herzen Europas das Anwachsen totalitärer Systeme jenseits der Grenzen seines kleinen Heimatlandes.

Der Roman „Der Krieg mit den Molchen“ ist offensichtlich unter dem Eindruck dieser Bedrohung entstanden und wurde in Prag erstmals im Jahr 1936 veröffentlicht. In einer limitierten Ausgabe mit Litografien des Berliner Künstlers Hans Ticha ist der Klassiker nun neu aufgelegt worden.

Čapek erzählt darin, wie der raubeinige Kapitän Van Toch ein Tabu der Eingeborenen bricht, Bekanntschaft mit etwa kindergroßen, auf zwei Hinterbeinen stehenden Molchen macht und sehr bald herausfindet, wie er sich diese Tiere nutzbar machen kann. Schritt für Schritt entwickelt sich eine Eigendynamik, die das bisher bestehende Gleichgewicht zwischen Mensch und Tier, Kultur und Natur, auszuhebeln beginnt. Bald schon fragen sich die Menschen, wer diese Molche eigentlich sind und was sie zu leisten vermögen. Diplomatische Beziehungen zu ihnen entstehen.

Die sich explosionsartig vermehrenden Molchen erhalten von den Menschen Nahrungsmittel, aber auch Handwaffen zur Verteidigung gegen Fressfeinde. Im Gegenzug bieten die geheimnisvollen Wesen ihre Arbeitskraft für bislang ungeahnte Riesenprojekte zur Umgestaltung der Erdoberfläche. Sie erweisen sich zudem als äußerst lernfähig. Verschiedene Lobbyisten bemühen sich darum, die Molche für ihre Interessen zu gewinnen. Gleichberechtigung wird von manchen Stimmen ebenso gefordert, wie einige Gruppierungen sich etwa an die „Genossen Molche“ richten. Die christlichen Konfessionen beschäftigten sich mit der Frage, inwieweit Molche eine Seele haben oder gar getauft werden können. In deutschen Zeitungen ist vom rassisch wertvollen Molch die Rede: „Wir brauchen neuen Lebensraum für unsere Molche!“

Die weltweite Instrumentalisierung der Molche stößt schließlich an Grenzen. Die Tiere entwickeln eigene Ziele. Innerhalb ihrer Population kommt es zu einem Richtungsstreit. Während die Altmolche darauf beharren, an bewährten Traditionen festzuhalten, wollen die Jungmolche das Gegenteil: Sie sind „offenbar für Fortschritt ohne Vorbehalt und Einschränkung und verkündeten, auch unter Wasser müsse die Bildung des Festlandes voll und ganz nachgeholt werden, Fußball, Flirt, Faschismus und sexuelle Inversion nicht ausgenommen“.  

Čapek hat sich in seinem Werk immer wieder mit den Themen Zivilisation und Grenzen der menschlichen Erkenntnis beschäftigt. In „Krieg der Molche“ entfaltet sich die gesamte Differenziertheit seiner Sprachkraft. In geradezu spielerischer Weise ergänzen sich Parodie und Travestie der Motive, Sprachwitz und Ironie. Hellsichtig karikiert Čapek die gesellschaftlichen Verhältnisse vor dem Zweiten Weltkrieg, den er selbst nicht mehr erlebte.

Die vorliegende Lizenzausgabe beeindruckt mit ihrer Gestaltung. Hans Ticha hat es verstanden, die Vielfalt der im Roman verarbeiteten Textformen – wie Flugblätter, Interviews und Zeitungsannoncen bis hin zum beschrifteten Klingelschild am Eingang einer Wohnung – in geschickt komponierten Grafiken aufzugreifen. Er spart dabei nicht an ausdrucksstarken Farben und verwendet Elemente des Comics und der Pop-Art ebenso wie Stilmittel alter Quellen­dokumente. Eindrucksvolle Buchkunst und eine zeitlos anmutende Realvision ergänzen sich in dieser schönen Ausgabe zu einer spannenden wie unterhaltsamen Lektüre.   

Karel Čapek „Der Krieg mit den Molchen“. Aus dem Tschechischen von Eliška Glaserová. Mit Illustrationen von Hans Ticha. Edition Büchergilde, Frankfurt am Main 2016, 328 Seiten, 24,95 Euro, ISBN 978-3-86406-077-9