Alles, was gut und tschechisch ist
Der brave Punk Pahl und sein Berliner Raritäten-Shop „Tuzex“
3. 10. 2012 - Text: Tatyana SynkovaText und Foto: Tatyana Synkova
Zehn Jahre lang lebte er auf der Straße – erst in Tschechien, später in Italien und Spanien. Luděk „Pešek“ Pahl: künstlerischer Rebell, zur Ruhe gekommener Punk. 1996 kam er nach Berlin. Dann kam die Liebe. Heute betreibt Luděk den tschechischen Spezialitäten-Laden „Tuzex“. Seine Entscheidung für die Wahlheimat an der Spree hat er nie bereut. Berlin, das bedeutet für den 40-Jährigen Freiheit, hier lohne sich das Überleben. Mit der politischen Situation in Tschechien hat er abgeschlossen: „Das sind doch alles korrupte Säcke, die nichts auf die Reihe kriegen.“
Tschechien an sich ist er allerdings wohl gesonnen. Immerhin lebt und arbeitet er auf 60 Quadratmetern Tschechien in Berlin. Luděks Mitbewohner: der Kleine Maulwurf, Spejbl und Hurvínek, Rübezahl und Karel Gott. Nicht zu vergessen, der brave Soldat Schwejk, der einem schon von der Straße aus entgegenblickt. Und natürlich Luděks Frau Katja und der kleine Bullterrier Vašek. Selbst wenn Luděk seinen Laden verlässt, die tschechischen Kultfiguren nimmt er mit. Sie sind auf seinem ganzen Körper tätowiert: Rübezahl am rechten Unterarm, die berühmten Marionetten Spejbl und Hurvínek schmücken seine Brust. Besondere Aufmerksamkeit verdient allerdings sein Rücken. Der ist gänzlich mit einem Bild von Josef Lada, dem Schwejk-Illustrator, bedeckt.
West-Ost, Ost-West
„Tuzex“ ist eine Oase der Nostalgie mitten im aufgestylten Prenzlauer Berg und eine Mischung aus Kneipe, Raritäten, Gebrauchtwaren- und Lebensmittelladen. Es beschleicht einen das Gefühl, in das Wohnzimmer eines Sammlers geraten zu sein. Man bekommt hier alles, was gut und tschechisch ist. Den Namen „Tuzex“ hat sich Luděk lange Zeit vor der Eröffnung 2010 patentieren lassen. Bis 1989 hießen so die tschechoslowakischen Geschäfte, in denen man mit Westgeld oder Bons, Ware aus dem kapitalistischen Ausland kaufen konnte. „Jetzt verkaufe ich eben Raritäten aus dem Osten im Westen“, sagt der Gründer des Berliner „Tuzex“-Ladens. Wie er darauf kam? Eine fixe Idee, aus Sehnsucht nach tschechischem Essen und um sich als Künstler seine Unabhängigkeit zu bewahren.
Wer in Luděks Laden genau hinsieht, entdeckt, verborgen zwischen allerlei Nostalgie-Krimskrams, auch des Hausherren Kunstwerke: Rahmen aus alten Fernsehern zeigen uminterpretierte Szenen von Spejbl und Hurvínek. Rechteckige Holzhocker, verziert mit Kultsymbolen aus Luděks Heimat. Hemden und T-Shirts mit selbst entworfenen Kunstdrucken seines Labels „Rebel Art“. Auf einer zur Galerie umgestalteten Toilette hängen Collagen, abstrakt und provokant. „Einige davon hingen schon in der Prager Nationalgalerie“, merkt der künstlerische Rebell an. Besonders stolz ist er aber auf sein Miniaturmuseum über Rübezahl. Nächstes Jahr soll „Tuzex“ als kleinstes Museum Berlins bei der Langen Nacht der Museen vertreten sein.
Punk, Rock, Ruhestand
Wenn man es genau nimmt, dann sind die gesamten 60 Quadratmeter ein einziges Kunstwerk; eines, an dem mit viel Geduld, Liebe und Handarbeit Tag für Tag getüftelt wird. „Außer Eskimos kommen hier eigentlich Menschen von überall zu Besuch. Touristen, Berliner, Tschechen“, antwortet Luděk auf die Frage nach der Kundschaft. Am besten verkaufe sich alles, was mit dem Kleinen Maulwurf zu tun hat. Und Bier. Das kommt meist von tschechischen Kleinbrauereien, und wird, selbstredend, zuvor vom Geschäftsführer persönlich getestet.
Luděks Lieblingsspruch: „Das Leben eines Rockstars ist schon schwer“. Bevorzugt sagt er den, wenn er mit seinem Feierabend-Wein vor dem Laden sitzt und mit seinen Stammkunden quatscht. Mit ihnen teilt er sich einen frisch geangelten Hecht, den der einstige Punk gerade auf dem Grill röstet. Rockstar war er zwar nie, die Rolle eines Rockstars im Ruhestand aber kauft ihm jeder ab.
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