Als in Prag die Panzer rollten
Tschechisch-österreichischer Spielfilm „Deckname Holec“ wird am Originalschauplatz gedreht
15. 10. 2014 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: Petro Domenigg
Wer Anfang Oktober über die Prager Vinohradská-Straße lief, auf Höhe des Gebäudes des Tschechischen Rundfunks, mag sich irritiert auf einer Reise in die Vergangenheit gewähnt haben. Die Leuchtreklamen im Umkreis des Gebäudes waren verdeckt, sämtliche Spuren der Gegenwart unsichtbar gemacht. Stattdessen waren Handwerker zu sehen, die eifrig Parolen aus den sechziger Jahren an die Fassaden klebten. Am Straßenrand stapelten sich alte Fahrräder, Abfalltonnen aus Blech und Sperrmüll. Später sollten sogar Panzer anrollen.
Des Rätsels Lösung zeigte sich am ersten Oktobersonntag, als Szenen für den Spielfilm „Deckname Holec“ („Krycí jméno Holec“) am historischen Originalschauplatz gedreht wurden. Für die tschechisch-österreichische Produktion verwandelte sich die Straße in eine Kulisse für die dramatischen Ereignisse, die sich im August 1968 in der tschechoslowakischen Hauptstadt abspielten.
Das Ende des Prager Frühlings – der gewaltsame Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts – bildet den Rahmen für das Spionagedrama des österreichischen Regisseurs Franz Novotny. An insgesamt 32 Drehtagen in Prag, Wien und Niederösterreich soll der Film abgeschlossen werden und im Oktober 2015 in die Kinos kommen.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Helmut Zilk (1927–2008), ehemaliger Fernsehdirektor des Österreichischen Rundfunks, von 1984 bis 1994 Bürgermeister von Wien und zentrale Figur für die österreichischen Sozialdemokraten. Unter dem Decknamen „Holec“ arbeitete Zilk zudem mit dem tschechoslowakischen Geheimdienst StB zusammen.
Der Film beleuchtet die Rolle Zilks als Journalist und Fernsehmacher während der Niederschlagung des Prager Frühlings am 21. August 1968. Der junge tschechische Regisseur Honza David, der gerade die ersten Bilder des russischen Einmarsches gefilmt hat, sieht in Zilk die Chance, der Welt von dem Unrecht, das gerade vor seinen Augen abläuft, zu berichten. Durch Zilk verspricht sich David nicht nur, seine Aufnahmen, die Gewalt und Unrecht an den Bürgern dokumentieren, schnell im westlichen Ausland veröffentlichen zu können. Er hofft zudem, mit seiner großen Liebe Eva die Tschechoslowakei verlassen zu können. David weiß allerdings nicht, dass Zilk seit den von ihm initiierten „Prager Stadtgesprächen“ – einer gemeinsamen Livesendung des tschechischen und österreichischen Fernsehens, schon längst im Fokus des tschechischen Geheimdienstes steht. Er ahnt auch nicht, dass Zilk Eva längst kennt.
Für die Realisierung des Films arbeitet Novotny mit der tschechischen Produktionsfirma Dawson Films zusammen. „Wir haben uns beim Filmfestival in Cannes getroffen. Dabei habe ich von einem Film erzählt, den ich gern umsetzen würde und er war begeistert“, erklärt Monika Kristlová von Dawson Films die Kooperation. Die Geschichte berühre Ereignisse, die beide Länder miteinander verbinde. Sie symbolisiere eine Zeit, in der die Menschen bereit waren, für ihre Ideen ihre Existenz und sogar ihr Leben zu riskieren. Daher stünde bei der Zusammenarbeit nicht der Gewinn für die beiden Gesellschaften im Vordergrund, betonte Kristlová.
„Markus von Liberec“
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