Auf einer Mondrose jenseits von Zeit und Raum
Das neu eröffnete Karel-Zeman-Museum widmet sich Leben und Werk des tschechischen Filmemachers
15. 5. 2013 - Text: Christian Müller-BreitenkampText: Christian Müller-Breitenkamp; Foto: KZM
In der Welt des Kinos hat der Animationsfilm während der letzten Jahre einen beispiellosen Aufstieg erfahren. Verantwortlich sind dafür vor allem die US-amerikanischen DreamWorks Studios sowie die Pixar-Studios des Konzernriesen Disney. Ebenso knuffige wie ungewöhnliche Protagonisten wurden durch ihre Filme zu Helden für Millionen von Kindern: zum Beispiel der Clownfisch Nemo, der Oger Shrek oder der sturköpfige Astronaut Buzz Lightyear.
Nur den versierten Cineasten dürfte bewusst sein, dass die Geschichte des Animationsfilms viel älter ist als die genannten Figuren und dass sich der Geburtsort des Genres nicht etwa in den USA, sondern mitten in Tschechien befindet.
Zu verdanken ist dies dem 1910 im nordböhmischen Ostroměř geborenen Regisseur Karel Zeman. Als Wegbereiter des tschechischen Animationsfilms verwendete er in seinen Filmen schon zu Beginn der 1950er-Jahre Trickfilmsequenzen, die er dann mit realen Aufnahmen verknüpfte.
Das Museum, das an Zemans Leben und Werk erinnert, befindet unweit der Karlsbrücke. Wer nicht genau weiß, wonach er sucht, ist hier schnell vorbeigelaufen. Alle anderen oder auch diejenigen, die sich zufällig hierhin verirren, erleben eine kleine Museums-Überraschung.
Im Eingangsbereich der Galerie, die inmitten eines kleinen Hinterhofes liegt, erfahren die Besucher zunächst, wie Zeman gegen den Willen seiner Eltern über Umwege doch noch zum Film kam. Eine Tafel gibt eine Übersicht über seine Filmografie.
Der erste große Bereich der Ausstellung widmet sich Zemans bekanntem Kinderfilm „Cesta do pravěku“ („Reise in die Urzeit“) von 1955. Auf kleinem Raum erhält der Besucher unzählige Informationen zum Film, für den der Regisseur eine Vielzahl filmischer Tricks erdachte, um längst ausgestorbene Tiere wie Dinosaurier oder Mammuts wieder zum Leben zu erwecken. Der Film gilt als Meilenstein des Kinderfilms. So schaffte er 1960 auch den Sprung über den großen Teich und lief in amerikanischen Kinos an.
Nur ein paar Schritte liegen im Museum zwischen den Jahren 1955 und 1958. Eben noch in der Urzeit finden sich die Besucher plötzlich inmitten des Films „Vynález zkázy“ wieder. Der Film, der in deutscher Fassung als „Die Erfindung des Verderbens“ bekannt ist, feierte 1958 weltweiten Erfolg. Auch zu diesem Film gibt es viele Informationen, die in ansprechender Form präsentiert werden.
Durchdachte Präsentation
Überhaupt: Hier hat sich jemand Mühe gegeben. Der Mix aus klassischer, multimedialer und interaktiver Form der Informationsaufbereitung trägt dazu bei, dass viele Fakten vermittelt werden, ohne dass die Ausstellung überladen wirkt. Die interaktiven Elemente der Ausstellung ermöglichen außerdem, immer wieder selbst nachzuvollziehen, wie Zeman die Spezialeffekte in seinen Filmen erzeugt hat.
Der dritte Film, auf den die Ausstellung dezidiert eingeht, ist „Baron Prášil“ („Baron Münchhausen“) von 1962. Ebenso wie die anderen beiden Filme wird den Besuchern dieser Streifen, der sich als erstes von Zemans Werken mit den Themen Romantik und Liebe beschäftigt, in entsprechender Form, nämlich liebevoll, nähergebracht. Nachdem man sich über Baron Münchhausen ausgiebig informiert hat, sollte man auf der Mondrose Platz nehmen und einen der verwendeten Filmeffekte selbst ausprobieren.
Durch einen letzten Raum, in dem neben einigen weiteren Filmen von Zeman auch auf seine Tochter eingegangen wird, die heute als erfolgreiche Kinderbuch-Illustratorin in Kanada lebt, gelangt man wieder ins Freie. Und ein wenig hat man den Eindruck, als habe man sich von der Freude und Leichtigkeit der Zeman’schen Filme etwas mitgenommen, wenn man sich inmitten der sonnenbebrillten Touristen wieder in das Gedränge der sommerlichen Prager Altstadt stürzt.
Karel-Zeman-Museum (Saský dvůr – Saská 3, Prag 1), geöffnet täglich 10–19 Uhr, Eintritt: 200 CZK (ermäßigt 140 CZK)
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