Außer Kontrolle
Die Nationalgalerie in Prag vermisst wertvolle Kunstwerke
29. 7. 2015 - Text: Katharina WiegmannText: kw/čtk; Foto: Chmee2
Aus den Beständen der Nationalgalerie in Prag sind hunderte Werke verschwunden. Das teilte der Rechnungshof am Montag vergangener Woche mit. Vermisst werden unter anderem Arbeiten berühmter Künstler wie Josef Lada und František Kupka.
Eines der fehlenden Gemälde, „Zeyers Garten“ von Jan Zrzavý, war in den Jahren 1999 bis 2000 in einem Museum in Amsterdam zu sehen. Kurz danach verlor sich seine Spur. „Es ist zwar dokumentiert, dass die Nationalgalerie das Bild nach der Ausstellung von einer Transportgesellschaft entgegennahm. Nach zwei Jahren zeigte sich jedoch, dass das Gemälde verloren gegangen war“, so die Inspektoren des Rechnungshofes.
Erst Jahre später erstattete die Nationalgalerie Strafanzeige. Die Prüfer kritisierten auch, dass nach den Überschwemmungen im Jahr 2002 keine Bestandsaufnahme erfolgte. Die Fluten hatten das Schloss im Prager Stadtteil Zbraslav beschädigt, das der Nationalgalerie als Depot diente. Damals seien 35 Objekte, vor allem des Bildhauers Karel Dvořák, verlorengegangen. Die Leitung der Nationalgalerie habe das nicht der Polizei gemeldet, monierte nun der Rechnungshof. Darüber hinaus bemängelte er das Vorgehen der Galerie bei der Vergabe von Aufträgen, die nicht öffentlich ausgeschrieben worden seien.
Jiří Fajt, seit 2014 Generaldirektor der Nationalgalerie, sieht die Verantwortung für die Missstände bei Milan Knížák, der die Institution von 1999 bis 2011 führte. Knížák wiederum weist alle Schuld von sich: „Soweit ich weiß, endete die Inventur der Kunstwerke im Jahr 2012, als ich schon lange nicht mehr Direktor war. Eine Auswertung der Vorgänge war aber erst nach der Inventur möglich, die bei einer Sammlung mit 250.000 Gegenständen sehr schwierig und langwierig ist.“ Es sei zudem möglich, dass es bei der Inventur unterschiedliche Auffassungen über die Nummerierung gegeben habe und manche Kunstwerke in Wirklichkeit gar nicht verschwunden seien.
Zwei Tage nachdem der Rechnungshof seine Prüfungsergebnisse veröffentlicht hatte, wandte sich Knížák in einem offenen Brief an Kulturminister Daniel Herman (KDU-ČSL) und forderte ihn auf, Fajt abzuberufen. Dieser würde nichts vom Betrieb eines Kunstmuseums verstehen, er habe langjährige Mitarbeiter von ihren Posten entbunden und die Galerie verschuldet, lauten die Vorwürfe, die Fajt als „absurd“ zurückwies.
Eine Kopie des Briefes wurde auch Präsident Miloš Zeman zugestellt, der ebenfalls ein Kritiker des derzeitigen Direktors ist und sich seit Mai dieses Jahres weigert, seine Unterschrift unter Fajts Ernennungsurkunde zum Professor an der Prager Karls-Universität zu setzen.
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?