Autoschieber kommen hinter Gitter
Landgericht Deggendorf würdigt Zusammenarbeit zwischen deutscher und tschechischer Polizei
21. 11. 2012 - Text: Klaus HanischText: khan; Foto: PD
Die Gangster waren hoch spezialisierte Profis. Und sie arbeiteten überwiegend von Tschechien aus. Deshalb stellten sie Ermittler über Jahre vor große Probleme. Nun wurden zehn Männer im Alter von 31 bis 43 Jahren im bayerischen Deggendorf wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei zu Freiheitsstrafen zwischen zwei und sechs Jahren verurteilt.
Die Diebe agierten international, überaus konspirativ und zudem noch arbeitsteilig. Während ein Teil der Bande ausgewählte und meist hochwertige Autos von BMW, Audi, VW oder Mercedes in ganz Europa stahl, kümmerte sich ein anderer um die elektronische und mechanische „Umfrisierung“ der Fahrzeuge. Weitere Mitglieder waren für deren Legalisierung verantwortlich, also für die Beschaffung amtlicher Papiere, für die sie Daten eines irgendwo auf der Welt legal fahrenden baugleichen Autos besorgten. Diese „Doubletten-Fahrzeuge“ verkaufte dann eine „vierte Ebene“ weiter. Dabei verdienten alle Beteiligten viel Geld. Denn für Abnehmer war nicht mehr erkennbar, dass das erworbene Fahrzeug in Wirklichkeit eine ganz andere Identität hatte und gestohlen worden war.
Erst als die Polizei vor ihrer Tür stand, wurde vielen Besitzern klar, dass sie an dem vermeintlichen Schnäppchen kein Eigentum erworben hatten und ihr Fahrzeug an den rechtmäßigen Eigentümer herausgeben mussten.
Durch diese anscheinend perfekte Arbeitsteilung gestalteten sich die jahrelangen Ermittlungen der Kriminalbeamten schwierig. Am Ende oblag einer speziell geschaffenen Arbeitsgruppe die Aufklärung der Taten. Im Mai 2011 wurden schließlich sechs Tatverdächtige festgenommen. Dabei stellten die Beamten auch umfangreiche Beweismittel und gestohlene Autos sicher. Dies gelang in einer gemeinsamen Aktion, die mit Sicherheitsbehörden in Tschechien und Österreich abgestimmt worden war. Über 100 deutsche und etwa 130 tschechische Polizeibeamte nahmen daran teil.
Die Behörden werteten Einsatz und Ergebnis anschließend als „empfindlichen Schlag gegen die Kfz-Kriminalität in Europa“ (die „Prager Zeitung“ berichtete). Mit den Urteilen in Deggendorf wurde nun ein vorläufiger Schlussstrich unter das komplexe Verfahren gezogen, obwohl gegen einzelne Personen noch immer Ermittlungen laufen.
In der mündlichen Urteilsverkündung würdigte der Vorsitzende der Strafkammer und Vizepräsident des Landgerichts Deggendorf, Heinrich Brusch, explizit die ausgezeichnete Zusammenarbeit von deutscher und tschechischer Polizei. Für die Bekämpfung von Organisierter Kriminalität müssten Netzwerke erkannt und aufgedeckt werden. Nur mit einer besonders sorgfältigen Ermittlungsarbeit wie in diesem Fall gelinge ein Tatnachweis, so Brusch. Sie habe letztlich auch zu umfangreichen Geständnissen der Angeklagten geführt. Auf das Konto der Bande gingen fast 70 Fahrzeugdiebstähle mit einem Gesamtschaden von nahezu 3,5 Millionen Euro allein in Deutschland. In 240 Ordnern hatten die Ermittler Beweismaterial zusammengetragen und ausgewertet, um den Tätern das Handwerk zu legen.
Die Leitende Oberstaatsanwältin der Staatsanwaltschaft Deggendorf, Kunigunde Schwaiberger, dankte besonders den Staatsanwaltschaften in Ústí nad Labem und Prag. „Hand in Hand wurden Ermittlungsmaßnahmen abgestimmt und mit hohem Engagement auf tschechischer Seite umgesetzt“, so Schwaiberger.
Die hochkriminell handelnden Täter seien sehr darum bemüht gewesen, Spuren zu verwischen. „Mit einer so effektiven Zusammenarbeit auf Basis der Rechtshilfevorschriften in der Europäischen Union haben sie aber offensichtlich nicht gerechnet“, freute sich die Juristin. „Durch intensivste und langwierige Ermittlungen ist es uns gelungen, diese Gruppierung dingfest zu machen und viele Fahrzeuge an die rechtmäßigen Eigentümer zurückführen“, ergänzte Thomas Schöniger, Leiter der Kriminalpolizei in der Oberpfalz.“
Nicht immer kann sich eine Behörde jedoch über solch einen Ermittlungserfolg freuen. So blieben im Bundesgebiet im letzten Jahr exakt 19.318 Autos auf Dauer verschwunden, wie das Bundeskriminalamt in einem Lagebild festhielt. Der dadurch verursachte Schaden belief sich im Jahr 2010 auf über 250 Millionen Euro. Überwiegend waren Fahrzeuge von Audi, BMW, VW und Porsche betroffen.
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