Bahnträume abseits der Elbe

Bahnträume abseits der Elbe

Die neue Strecke von Dresden nach Prag soll durch einen 26 Kilometer langen Tunnel führen

27. 1. 2016 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: APZ

Am besten träumt es sich manchmal im Zug. Wenn bei leichtem Schaukeln aus den Landschaften vor dem Fenster langsam fantastische Tagträume werden. Wer von Dresden nach Prag reist, hat in der Regel zwei Stunden und zwanzig Minuten Zeit zu träumen. So lange dauert es derzeit mit der Bahn, Verspätungen nicht eingerechnet. Es sollte deutlich schneller gehen, meinen Politiker auf beiden Seiten der Grenze seit einigen Jahren. In weniger als einer Stunde könnten Passagiere auf einer neuen Strecke von der tschechischen in die sächsische Hauptstadt gelangen. Bisher fiel diese Vorstellung eher in die Kategorie Tagtraum – Politiker und Bürokraten haben für solche Fälle Wörter wie Machbarkeitsstudie, Variantenuntersuchung und Potentialanalyse.

Mehrere solcher Studien wurden seit 2008 durchgeführt. Mitte Januar präsentierte der Freistaat Sachsen nun ein neues Dokument – diesmal eine „Studie zu Planungsdienstleistungen für die Neubau-Hochgeschwindig­keitsbahnstrecke“. Daraus geht hervor: Der Zug soll die Grenze künftig durch einen 26 Kilometer langen „Basistunnel“ im Osterzgebirge queren. Die Fahrzeit für den Personen- und Güterverkehr würde sich somit auf 50 Minuten verringern. Es könnten mehr Menschen und Waren transportiert werden, gleichzeitig würden Lärm und Luftverschmutzung im Elbtal reduziert, Siedlungsräume und „ökologisch sensible Bereiche“ umfahren – und hochwasser­sicher wäre die neue Strecke der Studie zufolge obendrein.

Reisende, die jetzt schon ins Träumen geraten, sollten allerdings auch wissen, dass mit ersten Testfahrten wohl frühestens in etwa 20 Jahren zu rechnen ist. Und auch nur dann, wenn der Freistaat Sachsen durchsetzen kann, dass die Neubaustrecke in diesem Jahr in den Bundesverkehrs­wegeplan aufgenommen wird. Um das zu erreichen, soll die neue Studie demnächst beim Bundesverkehr­sministerium eingehen. Gleichzeitig würden „vertiefende Untersuchungen beispielsweise der Geologie und Hydrologie entlang der Trasse“ erfolgen, so das sächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Zudem entsteht gerade ein Europäischer Verbund, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Gemeinden im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und in der Region Ústí nad Labem zu intensivieren.

Die bestehende Bahnstrecke durch das Elbtal gilt als gravierender Engpass im europäischen Bahnkorridor zwischen Nord- und Ostsee und dem östlichen Mittelmeer. Sie trägt die Hauptlast des internationalen Güterverkehrs zwischen Nord- und Südosteuropa und ist aufgrund der Topographie nicht ausbaufähig. In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Lösungen untersucht. Die nun angedachte neue Hochgeschwindigkeits­strecke zwischen Dresden und Prag bezeichnet Sachsens Verkehrs­minister Martin Dulig (SPD) als „langfristiges und zukunftsweisendes Projekt“ innerhalb des transeuropäischen Verkehrsnetzes. Gerade deshalb sei es wichtig, bald mit den Planungen zu beginnen. „Außerdem zeigen die bisherigen Erfahrungen gerade bei Großprojekten, dass eine frühzeitige Einbeziehung aller Beteiligten und größtmögliche Transparenz im Hinblick auf Verständnis und Akzeptanz für das Vorhaben ungemein wichtig sind“. Hoffnung auf schnelle Umsetzung macht der Minister aber nicht. In der „Sächsischen Zeitung“ sprach er kürzlich von einer „Generationenaufgabe“. Für Bahnreisende kann das auch eine gute Nachricht sein. Sie haben zwischen Dresden und Prag weiterhin fast zweieinhalb Stunden Zeit zu träumen.